Hexenjagd
und auf Ihre Kosten seine eigenen Ziele verfolgen, bis Sie wieder unter der Last zusammenbrechen. Ich kann Ihnen jetzt schon versichern, dass Sie es dann noch schwerer haben werden als jetzt. Die menschliche Psyche ist nämlich wie empfindliches Glas. Einen kleinen Knacks kann sie vertragen. Kommen aber mehrere hinzu, zerbricht sie in tausend Scherben und lässt sich nie wieder so zusammenfügen, wie sie mal war oder sein sollte.“
„Sie meinen …“ Celiska musste sich räuspern, um weitersprechen zu können. „Wenn ich nicht aufpasse, lande ich wieder hier?“, fragte sie heiser.
„So krass wollte ich es eigentlich nicht ausdrücken“, beschwichtigte Rebekka, „aber genau das sollte es heißen.“ Mit dem letzten Wort stand sie auf und trat zu Celiskas Stuhl, um sie hochzuziehen und freundschaftlich zu umarmen. „Machen Sie die Augen auf“, sagte sie leise. „Die Welt hat so viele Geheimnisse und schöne Überraschungen parat. Man muss sie nur bewusst sehen wollen, denn wenn man sich blind und taub stellt aus Rücksicht auf andere, läuft man letzten Endes am eigenen Glück vorbei, ohne es jemals gekostet zu haben.“
Die junge Frau nickte bloß. Ihr war nicht anzusehen, was sie gerade dachte oder fühlte.
Die Fahrt nach Hause erschien Celiska sehr lang, denn Vincent schwieg sich beharrlich aus. Selbst während der überschwänglichen Begrüßung, die ihr durch Anna und Felix zuteilwurde, verhielt er sich sehr wortkarg. Als sie schließlich ihren Kühlschrank inspizierte, diesen gut gefüllt vorfand und daraufhin vorschlug, für Vincent zu kochen, um sich auf diese Weise für seine Hilfsbereitschaft zu bedanken, nickte er bloß.
„Was ist mit dir?“, wollte sie wissen, während sie eine Pfanne hervorholte.
„Interessiert dich das wirklich?“, kam prompt die Gegenfrage.
Der bittere Unterton in seiner Stimme traf sie wie ein Faustschlag in die Magengegend, so dass sie unwillkürlich den Atem anhielt und ihn betroffen ansah. Wie blind sie doch gewesen war, schalt sie sich selbst, als sie den tiefen Schmerz in seinen Augen erkannte. Und so dumm!
„Ich …“ Sie hätte wahrhaftig nicht so lange warten sollen, schoss es ihr durch den Kopf, während sie die Pfanne beiseite stellte, um die Hände frei zu haben. Aber es ging nicht anders, versuchte sie sich zu rechtfertigen. In der Klinik hatte sich keine Gelegenheit ergeben, über Privates miteinander zu sprechen, weil er entweder mit anderen Patienten beschäftigt oder aber in Begleitung von Doktor Lorenz gewesen war, so dass sie das Ganze nach ihrer Entlassung beginnen wollte. Jetzt waren sie in der Tat allein und ungestört. Das Problem war nur: Wie anfangen? Was als Erstes sagen?
„Es tut mir Leid“, begann sie. „Ich … Warte!“ Sie fasste seine Hand und hielt ihn damit geistesgegenwärtig auf, bevor er sich abwenden und aus dem Raum stürmen konnte. „Lauf nicht weg“, verlangte sie heiser. „Ich … ich muss dir was sagen.“ Immer noch seine Hand festhaltend, trat sie so nahe an ihn heran, dass sich ihre Körper fast berührten, und schluckte hart, als sie zu ihm aufsah. „Auch wenn du’s jetzt vielleicht nicht glaubst; es interessiert mich wirklich, was mit dir ist und wie es dir geht, weil … ich … Ich liebe dich.“ Ihre Kehle war so eng, dass sie Mühe hatte, genügend Atemluft zu bekommen. Und so klang ihre Stimme ziemlich erstickt, als sie fortfuhr: „Das tue ich schon seit dem Tag, als ich dich zum ersten Mal sah.“ Jetzt war zumindest schon mal das Wichtigste heraus, dachte sie erleichtert. „Wenn … also, wenn … Na ja. Solltest du ein bisschen Gefallen an mir finden, könnten wir sicher eine Menge Spaß miteinander haben.“ Nein, sie genierte sich überhaupt nicht dafür, dass sie so offen war. Warum auch? Sie liebte und begehrte ihn wie nichts anderes auf der Welt. Und allein darum war sie bereit, ihm all das zu geben, was sie zu geben imstande war.
Vincent indes stand wie angewurzelt auf der Stelle und konnte nicht fassen, was er da zu hören bekam. Sie hatte ihn in der letzten Woche kaum angesehen, erinnerte er sich, so als wäre er gar nicht da. Also hatte er angenommen, dass sie in der Tat nichts mit ihm zu tun haben wollte, und hatte ihr Desinteresse schließlich akzeptiert, weil ihm ohnehin nichts anderes übrig blieb. Und jetzt das! Konnte das sein? Nein, entschied er, er war sicher nur das Opfer einer Sinnestäuschung geworden. Selbst als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um die Arme um seinen
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