Hexenjagd
nachdem sie die Tränen entdeckte, die jetzt wieder über Celiskas Wangen liefen, beruhigte sie sich. Gutes Mädchen, dachte sie erleichtert. Weine ruhig. Es wird dir helfen die Seelenqual zu ertragen. Du hast zwar viel Zeit verloren, aber dafür hast du dein Leben zurückgewonnen!
19
„Ich kann wirklich zu Anna und Felix zurück?“
„Das hat Vincent mir so berichtet, ja“, wiederholte Rebekka. „Soviel ich weiß, hat das Ehepaar Rosenbaum die Wohnung für Sie freigehalten, weil die Miete nach wie vor pünktlich einging und sie annahmen, dass Sie nach Ihrer Genesung vielleicht eine sichere und vertraute Bleibe brauchen würden.“
„Aber wer … ich meine …“
„Während Ihres Aufenthaltes bei uns haben Sie Krankengeld von Ihrer Krankenkasse bezogen“, beantwortete die Ärztin die unvollendete Frage. „Das hat zumindest die wichtigsten Kosten gedeckt.
„Ja, aber …“ Celiskas Freude darüber, dass sie nicht erst auf Wohnungssuche gehen musste, um die Klinik endgültig verlassen zu können, sondern in die lieb gewonnenen vier Wände bei den Rosenbaums zurückdurfte, war so schnell dahin, wie sie gekommen war. „Mein Arbeitsplatz … Ich hab mich ja noch nicht einmal krank gemeldet! Sie …“ Ihre Finger zerrupften nervös ein Papiertaschentuch. „Ich kann mich da nicht mehr blicken lassen“, flüsterte sie schließlich. „Sie werden alle wissen, was passiert ist. Nein“, stieß sie dann etwas lauter hervor, „da kann ich nicht mehr hin.“
„Das müssen Sie ja auch nicht“, versicherte Rebekka ruhig. „Meines Wissens werden gute Schreibkräfte immer gebraucht. Die hiesige Klinikleitung zum Beispiel sucht momentan auch jemanden, der Englisch und Französisch beherrscht. Also täten Sie gut daran, schnellstmöglich eine Bewerbung zu schreiben.“ „Wirklich?“ Celiska konnte kaum glauben, dass sie so viel Glück haben sollte. „Sie meinen … Würde man mich denn nehmen, wo ich doch … Ich hab doch für die letzten acht Monate keinerlei Nachweis. Ich …“
„Sie können ja angeben, Sie hätten sich eine Auszeit genommen, um eine Auslandsreise zu unternehmen, was ja Ihr gutes Recht ist“, schlug Rebekka vor. „Wie ich ihn kenne, interessiert sich unser Direktor aber eher für Zeugnisse und fachliche Kenntnisse als für Lebensgewohnheiten und Freizeitgestaltung seiner Angestellten“, versicherte sie mit einem beruhigenden Lächeln. „So. Und jetzt packen Sie Ihre Sachen, ja? Vincent hat gleich Feierabend und kann Sie mitnehmen, so dass Sie sich das Taxi sparen können.“
Die Kleine war wieder völlig in Ordnung, dachte sie für sich, obwohl sie nach wie vor ein wenig verwirrt zu sein schien. Aber das war nicht weiter verwunderlich, wenn man bedachte, dass sie jetzt die einzig normale Patientin auf der Station war. Man hatte mittlerweile viele Gespräche miteinander geführt, allerdings nur wenige Fortschritte gemacht, weil Celiska sich nun wieder so verschlossen wie eine Auster gab. So war zum Beispiel das Verhältnis zur Mutter nur kurz angerissen worden, um dann nicht mehr erwähnt zu werden – besser gesagt, Celiska verweigerte jegliche Kooperation in dieser Hinsicht. Auch das Missverständnis um Vincents und Verenas vermeintliches Verhältnis war nur sporadisch und dann gar nicht mehr erörtert worden. Statt jedoch erleichtert zu sein, weil sie nun sozusagen freie Bahn zu dem Mann ihres Herzens hatte, spielte sie immer noch die Desinteressierte, als wäre er ihr in der Tat vollkommen egal. Aber das sollte sie nicht weiter interessieren, entschied Rebekka. Schließlich war sie Psychiaterin und nicht Paartherapeutin. Wenn das Schicksal es wollte, dass die beiden zueinander fanden, dann würde es früher oder später auch so kommen!
„Er …“ Celiska schluckte schwer. „Vincent hat so viel für mich getan“, brachte sie endlich heraus. „Ich weiß gar nicht, wie ich ihm das je danken soll.“
„Da braucht es gar nicht viel“, entfuhr es Rebekka, und sie biss sich auf die Unterlippe. „Denken Sie nicht immer nur an andere“, setzte sie dann hastig hinzu. „Wichtig ist vielmehr, was Sie wollen und wünschen. Sie können es sowieso nicht jedem recht machen. Also lohnt sich der ganze Aufwand nicht. Einer wird immer was zu meckern haben, selbst wenn Sie sich für ihn auf den Kopf stellen. Ich weiß, das klingt jetzt sehr hart. Aber Sie müssen lernen, eigene Forderungen zu formulieren und auch durchzusetzen, denn wenn Sie das nicht tun, wird man Sie weiterhin ausnutzen
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