Hexenjagd
müssen sich jetzt erst einmal beruhigen, ja? Und sobald Sie sich beruhigt haben, können wir vernünftig reden. Es ist wichtig, dass Sie darüber sprechen, denn nur dann verliert sich die Unsicherheit, die Sie immer noch empfinden.“
Aber wieso hatte Verena dann von einer Verlobung gesprochen, kreiste es unterdessen durch Celiskas Kopf. Es war doch sogar schon von Hochzeit die Rede gewesen! … Hochzeit … Da war doch … Sie hatte doch …
„Ich habe jemanden verletzt“, stieß sie hervor. „Ich weiß genau, ich habe versucht, jemanden zu töten!“
Die Psychiaterin sah ihre Patientin am ganzen Körper zittern, registrierte Panik in den weit aufgerissenen grünen Augen und fühlte selbst einen heißen Schrecken in sich aufsteigen. Nur das nicht, flehte sie inbrünstig. Fall mir jetzt ja nicht wieder in Ohnmacht!
„Celiska!“, rief sie streng. „Reißen Sie sich zusammen! Sie haben gar nichts getan!“ Sie packte die leichenblasse junge Frau nun doch an den Schultern und schüttelte sie. „Sie haben sich gewehrt, aber Sie haben niemanden töten wollen. Seien Sie vernünftig! Der Mann hat bloß eine große Beule am Kopf abbekommen. Es geht ihm gut.“ Sie war schon drauf und dran, eine Beruhigungsspritze zu holen, da spürte sie, dass die Anspannung, in die sich ihre Patientin hineingesteigert hatte, deutlich nachließ. Gleich darauf bemerkte sie voller Erleichterung, wie sich das Gesicht ihres Gegenübers rötete, und atmete erst einmal tief durch.
„Ich kann es einfach nicht verstehen.“ Celiska fühlte sich so klein und hilflos wie nie zuvor in ihrem Leben. „Mein Verstand lässt mich einfach im Stich.“
„Nein, das tut er ganz bestimmt nicht“, versicherte Rebekka mit sanfter Stimme, derweil sie die weinende junge Frau entgegen ihrer ursprünglichen Entscheidung an sich zog, um sie mit einer Umarmung zu trösten. Wie erwartet ließ die Tränenflut nach einer Weile so weit nach, dass ein Gespräch wieder möglich wurde. Also drängte sie Celiska auf einen Stuhl, ließ sich gleich neben ihr auf einen anderen nieder und begann zu erzählen, wobei sie Erklärungen hinzufügte, um die Zusammenhänge klar verständlich zu machen. Sie brauchte eine gute Stunde, um alle Details zu beschreiben, und lehnte sich am Ende erschöpft zurück.
„Wir haben lange um Sie kämpfen müssen“, sagte sie abschließend, „weil Sie einfach nicht zu uns zurückwollten. Sentas Auftauchen in Ihrem Zimmer war ein unglücklicher Zwischenfall und keineswegs geplant. Trotzdem bin ich jetzt froh darüber, weil sie geschafft hat, was wir nicht fertig gebracht haben – sie hat Sie endgültig zurückgebracht. Senta hätte Ihnen nichts Böses getan“, rechtfertigte sie sich, als sie den vorwurfsvollen Blick ihrer Patientin auffing. „Sie ist völlig harmlos. Wirklich! Sie hat noch nie jemandem wehgetan. Auch wenn sie manchmal bedrohlich wirkt, kann sie noch nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun.“ War ein Segen, dachte sie dabei für sich, dass das auch in dieser unseligen Nacht so geblieben war. Senta war in der Tat ungefährlich – zumindest bis jetzt. Aber wo zum Teufel noch mal hatte sie diese verdammte Schere her? Und wie zum Henker war sie unbemerkt aus ihrem Zimmer herausgekommen, wo sie doch während der Nachtstunden immer unter Verschluss zu sein hatte? Rebekka hatte zwar damit gerechnet und insgeheim darauf gehofft, dass Senta irgendwann wieder auf Celiska losgehen würde. Doch hatte sie gemeint, diesen „Überfall“ überwachen und damit kontrollieren zu können. Und heute Nacht hatte sie dann fast der Schlag getroffen, als Vincent sie angerufen und völlig außer sich verlangt hatte, sie solle gefälligst zusehen, dass sie herbeikam – und zwar pronto!
„Senta wollte bloß Ihre Haare abschneiden“, versuchte Rebekka nun sich und ihre Patientin zu beschwichtigen, „weil sie wahrscheinlich glaubte, Sie seien tatsächlich eine Hexe. Sie wollte Ihnen damit Ihre magischen Kräfte nehmen.“
So wie Mary, dachte Celiska betroffen. Nur dass Mary Feuer zur Hand gehabt hatte, um sowohl die vermeintliche Zauberkraft als auch das Leben der mutmaßlichen Hexe endgültig auszulöschen!
„Wie lange … Seit wann bin ich hier?“, brachte sie endlich hervor.
„Acht Monate“, erwiderte Rebekka leise.
„Acht Mo …?“ Die geflüsterte Frage ging in ein gequältes Wimmern über.
Rebekka meinte, jedes Härchen an ihrem Körper zu spüren, weil dieser Laut durch Mark und Bein zu dringen schien. Aber erst
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