Hexenjagd
seine körperlichen Bedürfnisse nicht so lange zügeln zu müssen. Dass es für sie wie eine öffentliche Ohrfeige war, brühwarm von seinen Eroberungen Bericht zu erhalten, war ihm entweder nicht bewusst oder einfach nicht wichtig. Im letzteren Falle stand die Frage aus, ob er sie tatsächlich um ihretwillen heiraten wollte oder nur dem Wunsch seiner Mutter folgte, die sich eine ergebene und zugleich medizinisch bewanderte Schwiegertochter erhoffte, damit die kostspieligen und meist wirkungslosen Dienste des Baders hinfällig würden. Aber darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken, entschied sie, denn wenn sie dies tat, würde sie wahrscheinlich davonlaufen.
„Nein“, beantwortete sie seine Frage mit belegter Stimme, „ich bin keine.“
Nicholas’ erleichtertes Ausatmen veranlasste die junge Frau, ihm ihren Arm zu entziehen. Hatte sie tatsächlich richtig entschieden, als sie einwilligte, ihn zu heiraten, fragte sie sich zum wiederholten Male. Nun gut, sie mochte ihn, so wie sie einen Bruder gemocht hätte. Aber sie liebte ihn nicht – zumindest nicht so, wie es von ihr erwartet wurde. Außerdem: Konnte sie wirklich in dem Bewusstsein leben, ihren Ehemann womöglich mit unzähligen anderen Frauen teilen zu müssen, weil sie allein ihm nicht genügte? Andererseits war sie nicht besser als er. Schließlich galt ihre geheime Sehnsucht einem ganz anderen als ihrem Bräutigam. Und das war keineswegs gottgefällig!
Celia senkte den Kopf, um die Tränen zu verbergen, die sich in ihren Augen sammelten. Zu spät, erkannte sie voller Reue. Wenn sie jetzt ihr Wort zurückforderte, würde nicht nur sie ihr Gesicht verlieren. Auch das neu gewonnene Ansehen der Eltern wäre unweigerlich dahin!
Der helle Klang der Tischglocke riss Celia aus ihren Überlegungen. Sie hob den Kopf, erkannte, dass sie mittlerweile an der reich gedeckten Tafel angelangt war, und betrachtete nun die Menschen um sich herum, die einhellig ihre Gläser emporhielten, um einen Hochruf auf das Geburtstagskind auszubringen.
Für einen kurzen Augenblick wunderte sie sich, dass die Gesichter seltsam verzerrt und die Geräusche unnatürlich laut waren, und sackte dann ohne jede Vorwarnung in sich zusammen.
„Celia! Celia, wach endlich auf!“ Die kindliche Mädchenstimme klang ängstlich und drohte sich zu überschlagen.
„Mach endlich die Augen auf! Bitte!“
„Ist ja gut, Liebes.“ Mit Hilfe ihrer kleinen Freundin richtete sich die Angesprochene langsam auf. Als sie endlich saß, schüttelte sie den Kopf, als könne sie mit dieser Bewegung die erneut einsetzende Benommenheit verscheuchen. „Es geht mir gut.“
„Gott sei Dank“, seufzte Venice. „Du bist umgefallen wie ein Strohsack. Nicholas hat dich hochtragen müssen.“ Ein dickes Kissen in den Rücken der Freundin stopfend, damit diese nicht wieder umsank, holte sie gleich im Anschluss einen Becher mit Wasser herbei. „Du hast uns vielleicht erschreckt“, schwatzte sie drauflos, während sie Celia zum Trinken nötigte. „Als er dich auf das Bett gelegt hat, hast du auf einmal angefangen, sinnloses Zeug zu brabbeln. Irgendwas von Hexerei und Zauberei! Nicholas hat geguckt, als hättest du versucht, den Leibhaftigen herbeizurufen!“ Sie schaute zum Gemälde der Jungfrau hinauf und bekreuzigte sich hastig.
Celia tat es ihr unwillkürlich gleich.
„Hexerei?“, fragte sie verwirrt. „Ach so“, stieß sie plötzlich hervor, „jetzt weiß ich’s wieder! Irgendjemand hat mich als Hexe beschimpft, bevor wir in den Salon gegangen sind. Ich weiß nicht, wer es war, aber es könnte Mary gewesen sein.“ Das offensichtliche Erschrecken in dem zarten Gesicht ihrer Helferin veranlasste Celia, nach deren kalter Hand zu greifen und diese beschwichtigend zu drücken. „Keine Angst“, versuchte sie sich selbst und das Mädchen zu beruhigen. „Sie redet nur dummes Zeug. Ich bin keine Hexe.“
„Das weiß ich“, beteuerte die Kleine. „Aber du weißt noch nicht, was sie alles erzählt, wenn du nicht in der Nähe bist.“ Da sie das Unverständnis in den Augen der Freundin gewahrte, beeilte sie sich zu erklären: „Aus der Küche würde immer Essen verschwinden, wenn du in der Nähe wärst, sagt sie. Und du würdest Zauberkräuter benutzen, um Lady Langley auf deiner Seite zu halten. Wenn du sie nämlich nicht verhext hättest, hätte die Herrin dich schon längst zu deiner Mutter zurückgeschickt. Und bei Nicholas wäre es genauso. Sie behauptet, seit du im Hause wärst, wäre seine
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