Hexenjagd
Sicher, die Hexen-Verhöre wurden nur noch selten durchgeführt. Wenn aber jemand in den Verdacht geriet, mit unnatürlichen Kräften im Bunde zu sein, wurde immer noch die Folter angewandt, um den Beschuldigten zur Wahrheit zu bewegen.
Allein aus diesem Wissen heraus zitterte Celia innerlich, denn sie wusste nur zu gut, dass am Ende eines jeden Hexen-Verhörs unweigerlich der Tod stand – entweder als Strafe für den vermeintlich überführten Übeltäter oder als Segen für die gepeinigte Kreatur, die ihre eigene Unschuld bis zum bitteren Ende beteuerte, um sich dann in den ewigen Schlaf zu retten. Sie hatte Lady Langley mit einfachen Bauernmitteln geholfen, ohne zu bedenken, dass dies durchaus auch anders dargestellt werden konnte, erinnerte sie sich.
Und nun sah es so aus, als sollte ihr Wissen um die Kraft der Naturheilmittel ihr Verderben sein, weil man ihr die Zuneigung der Herrin und deren Vertrauen missgönnte. Mary brauchte in der Tat nicht mehr viel zu tun. Weder Ankläger noch Richter würden zugeben, dass sie weniger medizinisches Wissen besaßen als die Bauern, die sich auf die Heilkraft der Natur verließen, statt teure und wirkungslose Medizin einzunehmen. Also würde es ein Leichtes sein, sie der Hexerei zu überführen. Ihre Bauchwickel und das Sauerkraut hatten ja wirklich auffallend schnell eine Besserung bewirkt. Schon am Abend desselben Tages war Lady Langley wieder unten im Salon erschienen und hatte alles in sich hineingestopft, was auch nur ein wenig süß schmeckte. Eigentlich ein Wunder, dass die alte Dame nicht fett war, hatte Celia noch gedacht und die zierliche Figur ihrer Brotgeberin und künftigen Schwiegermutter bewundert.
Doch nun erinnerte sie sich auch daran, dass Lady Langley auffallend frisch ausgesehen hatte und überaus munter gewesen war. Zutiefst befriedigt, weil sie wieder ihrer gewohnten Lebensweise nachgehen konnte, hatte sie ihre Lieblingsgesellschafterin an ihre Seite gezogen und lautstark verkündet, Celia habe magische Hände. Die so hoch Gelobte hatte lachend abgewunken. Als sie jedoch in das verkniffene Gesicht des Baders schaute, dem durch ihr Eingreifen eine saftige Belohnung entgangen war, weil normalerweise er für die Gesundheit der Herrin zuständig war, hatte sie begriffen, dass sie wohl besser beraten gewesen wäre, wenn sie ihn an der „Behandlung“ der betuchten Dame beteiligt hätte.
„Na? Willst du nicht auch in den Salon gehen, meine Liebe?“ Nicholas war unbemerkt an sie herangetreten und äugte heimlich in den kostbar bestickten Ausschnitt ihres Mieders. „Mutter wäre sehr enttäuscht, wenn du nicht an ihrer Geburtstagsfeier teilnehmen würdest.“
Celia zwang sich zu einem Lächeln und hakte sich dann bei ihm ein.
„Ich war gerade auf dem Weg, Sir“, sagte sie betont heiter, „und habe nur darauf gewartet, von einem hübschen Mann geleitet zu werden.“ Aus den Augenwinkeln heraus sah sie Victor auf dem Treppenabsatz stehen und beugte sich bewusst an Nicholas heran, um seinen Arm ein wenig näher an ihre Brüste zu ziehen. Als sie jedoch seinen überraschten und erfreuten Blick auffing, rückte sie wieder von ihm ab. Gleichzeitig registrierte sie Victors wissende und zugleich amüsierte Miene, was ihr stracks die Schamröte ins Gesicht schießen ließ, so dass sie den Kopf abwandte, um dem eigentümlichen Glimmen seiner Augen zu entgehen.
„Wisst Ihr eigentlich“, wandte sie sich leise an ihren Begleiter, „dass man mich der Hexerei verdächtigt?“
Nicholas blieb so abrupt stehen, dass er für einen Augenblick schwankte.
„Aber … aber …“, stotterte er mit schreckgeweiteten Augen. „Du bist doch keine Hexe, nicht wahr?“
Celia meinte, einen Schlag ins Gesicht bekommen zu haben. Natürlich war sie keine Hexe! Wie konnte er nur zweifeln? Und doch tat er es, was deutlich machte, dass er sich offenbar gar nicht so sicher war, was die Gottesfürchtigkeit seiner Braut betraf. Und wenn er schon daran zweifelte, wie wollte er ihr dann während der Ehe vertrauen? Und vor allem – war ihm Vertrauen überhaupt wichtig? Schließlich vergnügte er sich nach wie vor mit den hübschen Bauernmädchen, die ihm ihre Gunst schenkten, obwohl er sich doch mit ihr vermählen wollte! Oh ja, sie wusste von seinen Eskapaden, denn es gab immer jemanden, der sein Schandmaul nicht halten konnte. Gewiss dachte Nicholas sich nichts dabei, denn er war zu gut erzogen, um seine Braut schon vor der Hochzeit zu bedrängen. Also nahm er sich andere, um
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