Hexenjagd
unverhofft aufgegangen war, registrierte die verärgerte Miene des Mannes und schluckte hart, denn sie ahnte sofort, dass er ihr etwas Unerfreuliches zu sagen hatte.
„Wo sind die Angebote, die mein Sohn ausarbeiten sollte?“, fragte er. „Sie wissen doch, dass es äußerst dringend ist! Haben Sie sie noch nicht bearbeitet, oder was?“
„Was denn für Angebote?“, fragte sie verblüfft. „Ich …“
„Frau Ahrent sagte mir, sie habe Sie informiert. Außerdem sei auch mein Sohn darüber im Bilde, dass ich die Aufstellung bis heute haben wollte!“
Celiska starrte den Mann verständnislos an und brachte keinen Ton heraus. Was in aller Welt ging denn nun wieder vor, fragte sie sich.
„Sagen Sie mal“, herrschte er sie an, „was tun Sie eigentlich für den Betrieb, außer hier herumzusitzen? Soviel ich weiß, werden Sie eigentlich als Schreibkraft bezahlt und nicht als Vorzimmerdame!“
Celiska war immer noch nicht in der Lage, eine klare Antwort zu formulieren. Stattdessen fühlte sie das Blut in ihren Ohren rauschen und umklammerte ihre Schreibtischplatte mit eiskalten Händen, derweil sie angestrengt nach Luft schnappte. „Lassen Sie das Theater!“, hörte sie ihren Vorgesetzten noch brüllen, bevor sie das Bewusstsein verlor und vom Stuhl rutschte.
„Ich weiß nichts von dieser Liste! Und sie auch nicht!“ Nils maß den Vater mit einem langen Blick, bevor er sich erneut über die junge Frau beugte, die nun allmählich wieder zu sich kam. „Warum glaubst du deiner Sekretärin mehr als mir? Oder Celiska? Wenn ich dir sage, ich habe nichts davon gewusst, dann kannst du es glauben! Celiska arbeitet sehr gewissenhaft. Wenn sie einen Fehler macht, dann steht sie auch dazu. Also, warum sollte sie lügen?“
„Vielleicht hat sie den Ordner irgendwo abgelegt und vergessen“, mutmaßte Redehof Senior. „Schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass eine Akte bei ihr verschwindet. Oder hast du die Sache mit Northern schon vergessen?“
Dass Nils darauf nicht antwortete, empfand Celiska wie eine Ohrfeige. Sie fühlte seine Hand, die mit einem Taschentuch den kalten Schweiß von ihrer Stirn wischte, und wünschte sich weit weg von ihm. Da sie aber immer noch nicht imstande war, auch nur einen Finger zur rühren, begann sie hilflos zu weinen.
„Nicht“, hörte sie ihn tröstend murmeln. „Es ist ja schon wieder gut.“
Endlich ließ die merkwürdige Lähmung ihrer Glieder nach, und das Prickeln in ihren Fingerspitzen zeigte ihr an, dass sie die Gewalt über ihren Körper zurückgewann. Immer noch benommen, befreite sie sich aus Nils’ Umarmung und richtete sich auf. Ohne den älteren Mann anzusehen, schwankte sie zurück zu ihrem Stuhl, um sich darauf niederzulassen.
„Ich habe weder von Frau Ahrent eine Info bekommen“, sagte sie mit belegter Stimme in Nils’ Richtung, „noch habe ich einen Auftrag verschlampt. Das ist alles, was ich sagen kann.“ Aus den Augenwinkeln heraus sah sie den Seniorchef wütend davon stürmen und atmete hörbar auf. „Ich … Besorg mir die Unterlagen, bitte. Ich mache die Angebote heute noch fertig“, bot sie an.
„Hast du öfter Probleme solcher Art?“, fragte Nils übergangslos.
Celiska brauchte ein paar Sekunden, bis ihr aufging, dass er ihre Ohnmacht meinte. Dann schüttelte sie den Kopf.
„Nein“, sagte sie, „eigentlich nicht. Ist wohl eine Kreislaufsache. War vielleicht einfach nur zu warm hier drinnen.“
„Vielleicht solltest du trotzdem mal zum Arzt gehen“, schlug er besorgt vor. „Wäre wirklich ratsam. Schließlich kann es ja eine ernste Sache sein.“
„Ich bin weder krank noch schwanger“, erwiderte sie bissig. Sofort bereute sie ihren Ausbruch, war aber nicht in der Lage, eine Entschuldigung zu formulieren, weil in ihrem Innern ein stetig wachsender Zorn und bodenlose Enttäuschung rumorten. Die Lippen aufeinander pressend, wandte sie sich ab. „Keine Angst“, erklärte sie gleich darauf über die Schulter hinweg, wobei sie den Drucker mit neuem Papier fütterte, damit der zuletzt geschriebene Brief fertig gestellt werden konnte. „Ich habe nicht vergessen, was wir vereinbart haben.“ Er hatte ja nicht nur einmal betont, dass er nicht so bald Vater werden wollte, erinnerte sie sich im Stillen. Auch wenn er an anderer Stelle vielleicht anders darüber dachte!
„Celiska? Würden Sie vielleicht hochkommen? Wir brauchen noch eine Mitspielerin. Canasta kann man so schlecht zu dritt spielen. Zu viert macht es viel mehr
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