Hexenjagd
Augenblick völlig reglos verharrend, starrte sie wiederum ihr Spiegelbild an, war jedoch nicht in der Lage zu entscheiden, ob das Ergebnis ihres Tuns nun besser war als vorher oder nicht. Als dann die Türglocke ertönte, zuckte sie die Achseln und wandte dem Spiegel endgültig den Rücken, um ihren Verlobten einzulassen. „Ausgezeichnet“, lobte Nils, nachdem er sie zur Begrüßung kurz umarmt hatte. „Du hast wirklich einen sehr guten Geschmack. Mutter wird sicher sehr beeindruckt sein. Sie mag Menschen, die sich gut anziehen können.“
Celiska biss sich auf die Unterlippe, gab jedoch keinen Kommentar dazu ab.
„Nun komm“, forderte er ungeduldig. „Wir werden sicher schon erwartet.“ Ihren Mantel um ihre Schultern hängend und ihre Handtasche an sich nehmend, dirigierte er sie sogleich aus der Wohnung, schloss an ihrer Stelle die Tür ab und konnte dann nicht schnell genug zu seinem Auto kommen. Dass seine Verlobte nach wie vor stumm blieb, fiel ihm gar nicht auf, denn er selbst redete ununterbrochen von dem bevorstehenden Abend und den Erwartungen, die er an Celiska stellte. Dass sie vielleicht nervös sein könnte angesichts der Tatsache, dass sie nun Menschen kennen lernen sollte, die sie bald zu ihrer Familie würde zählen dürfen, oder sogar Angst vor seinem Vater und dessen Reaktion auf die zukünftige Schwiegertochter hatte, daran verschwendete er keinen Gedanken. Stattdessen schilderte er ihr die Gewohnheiten und das alltägliche Leben seiner Familie, nicht merkend, dass seine Verlobte keineswegs begeistert dreinsah.
Snobs, dachte Celiska einmal. Die Redehofs schienen wirklich sehr viel Wert auf Äußerlichkeiten zu legen, wobei ihnen das Verständnis für menschliche Schwächen offenbar völlig abging. „Mutter wird sicherlich erst einmal mit dir einkaufen gehen wollen“, plapperte Nils in ihre Gedanken hinein, derweil er den Wagen in die Auffahrt des Redehof’schen Anwesens lenkte. „Sie wird es sich nicht nehmen lassen, das Hochzeitskleid mit dir auszusuchen.“
„Aber ich hab mich doch schon für eines entschieden“, warf sie zaghaft ein.
„Ach was“, winkte er ab. „Es ist ja noch nicht gekauft, nicht wahr. Also kann man sich durchaus noch nach etwas Besserem umschauen. Sieh mal, Mutter ist in Modedingen viel erfahrener als du und hat daher bestimmt ein viel besseres Gespür, was für diesen Anlass passend wäre. Also solltest du ihrem Urteil folgen, denn das führt garantiert dazu, dass du am Ende die schönste Braut der Stadt sein wirst.“
Darauf etwas zu erwidern sparte sich Celiska, denn sie wollte diese Angelegenheit nicht an diesem Abend diskutieren. Sicher, sie würde vermutlich genau das tun, was er vorgeschlagen hatte, so wie sie seine Wünsche stets respektierte und möglichst umsetzte. Dennoch erlaubte sie sich einen kurzen Moment der stillen Rebellion, bevor sie wieder auf eine gleichmütige Haltung umschwenkte.
Mittlerweile bei der riesigen Villa angelangt, ließ Nils den Wagen langsamer werden, damit seine zukünftige Frau die eindrucksvolle Fassade des Gebäudes betrachten konnte, und stoppte dann direkt vor dem Eingang.
Ein Ausstellungsstück, schoss es Celiska durch den Kopf, während sie sich aus dem Wagen helfen ließ, um sogleich auf die Treppe zum Portal der Villa zuzugehen. Das Haus war zwar als Wohnung für Menschen gebaut, verkörperte aber mit seiner Größe und seinem Prunk eine bloße Zurschaustellung von Macht und Ansehen. Das Herrschaftshaus der Lady Langley war ebenso kalt und hässlich, dachte sie beklommen.
„Willkommen in der Höhle des Löwen.“ Nils öffnete die Eingangstür für seine Braut und dirigierte sie dann hinein, ohne zu bemerken, wie verstört sie mit einem Mal wirkte.
Dass sie tatsächlich schon erwartet wurden – und zwar mit unübersehbarer Ungeduld –, bescherte Celiska sofort ein bohrendes Schuldgefühl. Als ihr jedoch einfiel, dass ihre Verspätung allein an Nils’ unpünktlichem Auftauchen bei ihr lag, entspannte sie sich ein wenig. Doch dauerte ihre Gelassenheit nicht lange an, denn die zunächst ungläubige und sich dann zum Ausdruck jähen Verständnisses wandelnde Miene ihres Seniorchefs machte mehr als deutlich, dass er nicht wirklich erfreut darüber war, ausgerechnet sie als seine künftige Schwiegertochter in seinem Hause begrüßen zu müssen. Allein die interessierten, aber düster wirkenden Augen seiner Frau verströmten ein wenig Wärme, was darauf schließen ließ, dass sie die Braut ihres Sohnes nicht
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