Hexenjagd
auf die Gedanken zuließ, welche hinter der hohen Stirn kreisten, wandte sie sich ab.
Da man nach dem Essen zurück in den Salon wollte, um den Kaffee dort zu genießen, also ohnehin aufstehen musste, fragte Celiska schüchtern nach dem Badezimmer, worauf Christine, so hieß ihre Gastgeberin, sie lächelnd bei der Hand nahm und in den hinteren Teil des Hauses geleitete.
Die junge Frau betrat ein luxuriöses Gäste-Bad, schaute sich kurz um, während sie die Toilette benutzte, und fühlte dabei nichts als Widerwillen. Wie konnte man sich inmitten solchen Prunks überhaupt wohl fühlen, fragte sie sich und musste sich regelrecht zwingen, den vergoldeten Wasserhahn aufzudrehen, um sich die Hände zu waschen. Auch die Benutzung des blütenweißen, mit Goldstickerei versehenen Handtuchs kostete sie einige Überwindung. Am Ende hängte sie es mit äußerster Sorgfalt wieder hin, warf anschließend einen kurzen Blick in den Spiegel und verließ dann den Raum, nur um sich im nächsten Moment mutterseelenallein in einem langen Flur zu finden.
Celiska brauchte einen Augenblick, um die Orientierung wiederzugewinnen, und ging dann langsam zurück. Sie hatte die angelehnte Tür des Salons fast erreicht und streckte schon die Hand nach der Klinke aus, da hörte sie Redehof Senior grollen: „Deine letzte Affäre mit einer Angestellten unseres Betriebs hat mich ein kleines Vermögen gekostet! Du kannst von Glück sagen, dass die Kleine nicht wirklich schwanger war! Trotzdem hab ich ihr eine angemessene Summe bieten müssen, um sie endgültig loszuwerden. Und jetzt das! Hast du die Kleine nicht anders ins Bett gekriegt, oder was? Warum zur Hölle muss sie gleich einen Ring bekommen?“
„Aber ich … Du hast doch selbst gesagt …“, stammelte Nils.
„Ja klar hab ich gesagt, du sollst dich am Riemen reißen und dir endlich eine Ehefrau suchen“, unterbrach ihn der Vater zornig. „Aber doch nicht unbedingt deine Sekretärin! Das ist doch lächerlich! Das klingt nach einem billigen Groschenroman. Außerdem passt sie nicht zu dir.“
„Aber wieso denn?“ Nils Stimme klang ehrlich überrascht. „Sie ist doch hübsch. Und sie ist durchaus in der Lage zu lernen. Mama könnte …“
„Papperlapapp!“, unterbrach Redehof Senior unwirsch. „Deine Mutter ist eine Niete! Sie hat sich in unseren Kreisen nie zurechtfinden können. Stattdessen greift sie immer öfter zur Flasche. Nennst du so was anpassungsfähig? Und die Kleine ist nicht viel besser. Sie mag dich zwar im Bett zufrieden stellen, aber sonst ist sie ein Risikofaktor, den ich nur deshalb noch nicht aus dem Betrieb entfernt habe, weil mir die Zeit fehlte, um ihre Kündigung zu diktieren.“
Celiska fühlte ihre Beine nachgeben. Also hatte Nils immer noch nichts unternommen, erkannte sie gequält. Er hatte zwar beteuert, dass er ihr glaubte, aber seinen Vater hatte er nicht aufgeklärt. Der Senior war immer noch der Meinung, „seine“ Frau Ahrent sei die unbefleckte Unschuld in Person!
Mit einem Mal bekam Celiskas Lunge nicht mehr genügend Luft, so dass sie angestrengt keuchte. Sich um die eigene Achse drehend, versuchte sie die Haustür auszumachen, weil sie in diesem Moment nichts mehr wollte, als auf der Stelle zu gehen – ob nun mit oder ohne Nils, war ihr völlig gleich! – und erstarrte am Ende zu einer reglosen Statue angesichts des groß gewachsenen Mannes, der in diesem Augenblick das Haus betrat. Wie kam Victor hierher, fragte sie sich verblüfft. Und wieso war er so aufwendig gekleidet? Der lange Pelzumhang und der Samthut mit den Straußenfedern waren doch eher für festliche Anlässe und nicht für den Alltag gedacht! Und wieso trug er seinen Paradedegen? Besser gesagt: Was war der Anlass dafür, dass er sich ganz gegen seine Gewohnheit so schön gemacht hatte?
Unfähig zu entscheiden, ob sie nun wachte oder träumte, sah Celiska das Bild kurzzeitig vor ihren Augen verschwimmen und schüttelte den Kopf, als könne sie anhand dieser Bewegung die Benommenheit verscheuchen, die ihre Sinne benebelte. Als sie dann erneut zu dem Mann hinsah, fand sie ihn mit einem sportlichen Sakko und Jeans bekleidet vor und war wiederum verwirrt, weil sie sein Äußeres ganz und gar nicht mit Victors Person in Einklang bringen konnte. Statt der schweren Stulpenstiefel trug er nun Halbschuhe. Und der Paradedegen samt Futteral war gänzlich verschwunden. Allein das markante Gesicht hatte sich nicht verändert, obwohl es mit einem Mal so wächsern erschien, als sei kein
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