Hexenjagd
krank!“
Celia stand wie festgenagelt auf der Stelle und brachte keinen Ton hervor. Als hätte das Höllenfeuer schon in ihr gewütet, fühlte sie sich völlig ausgebrannt. Selbst als Venice kam, um sie sanft, aber bestimmt aus dem Raum zu dirigieren und zu ihrer Kammer zu geleiten, fand sie keine Worte der Entschuldigung gegenüber Lady Langley, geschweige denn des Dankes für Victors Beistand. Wie eine Schlafwandlerin setzte sie einen Fuß vor den anderen und nahm weder etwas von ihrer Umgebung noch von Venices Geplapper wahr.
Geweckt von ihrem rasenden Herzen, lag Celiska wie gelähmt in ihrem Bett und konnte sich zunächst nicht rühren, um den Wecker auszuschalten, dessen Gellen in ihren Ohren widerhallte. Dann endlich streckte sie in Zeitlupentempo die Hand aus, beendete das Nerv tötende Klingeln, um anschließend wieder zur Decke empor zu starren, nicht imstande, eine weitere Bewegung auszuführen. So lag sie über eine Stunde – bis sie schließlich all ihren Willen zusammennahm, ächzend vor Anstrengung aufstand und mit wackligen Schritten zum Badezimmer tappte, um eine kalte Dusche zu nehmen. Sie musste dringend zum Arzt, ermahnte sie sich selbst, während sie unter dem eisigen Wasserstrahl stand und zitternd vor Kälte darauf wartete, dass das Schwindelgefühl nachließ, welches in unregelmäßigen Abständen kam und ging.
12
Verena war eigentlich zum Kaffee eingeladen, bekam aber bald den Eindruck, die Freundin wisse gar nicht mehr, dass man sich zu einem gemütlichen Plausch hatte zusammensetzen wollen, denn sie fegte wie angestochen durch ihre Wohnung und räumte ständig irgendwelche Dinge herum. Als es Verena schließlich zu viel wurde, sprang sie auf, fasste Celiska an den Händen und brachte sie so zum Stehen.
„Was ist denn nur los?“
Celiskas Augen nahmen einen verräterischen Glanz an, worauf sie in eine liebevolle und zugleich tröstende Umarmung gezogen wurde.
„Ich weiß ja, dass du langsam Panik bekommst“, murmelte Verena beruhigend. „Aber das geht jeder Braut so. Wenn man dich allerdings ansieht, könnte man meinen, du bereitest dich auf eine Trauerfeier vor und nicht auf deine Hochzeit.“
„Ach, Venice“, flüsterte Celiska verzweifelt. „Wenn ich nur wüsste …“
„Was?“, unterbrach Verena sichtlich verwirrt. „Wie hast du mich genannt?“ Sogleich erkannte sie das Unverständnis in den Augen der Freundin und biss sich auf die Unterlippe, nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte. „Venice?“ Ja, entschied sie. Genau diesen Namen hatte Celiska gebraucht, um sie anzusprechen! Aber … „Warum nennst du mich Venice?“, wollte sie wissen.
„Ich … ich …“ Celiska konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Die Bilder ihrer Träume schienen sich in letzter Zeit immer mehr mit der Realität zu vermischen, obwohl sie doch wusste, dass das nicht möglich war. Aber die Freundin hatte immer das gleiche Aussehen – ob im Traum oder in Wirklichkeit! Das schöne blonde Mädchen mit den blauen Augen und dem immer lachenden Mund war in beiden „Welten“ ihre beste Freundin, wenn auch in unterschiedlichem Alter. Und Nils? Auch er … Zutiefst entsetzt über ihre verrückt anmutenden Gedankengänge, zwang sie ihre Überlegungen mit aller Gewalt in eine andere Richtung: Sie war nur sehr angespannt, redete sie sich selbst gut zu. Auch wenn sie manche Dinge durcheinander brachte, war sie doch noch lange nicht irre! „Entschuldige, Liebes. Ich … ich hab mich bloß verplappert, weißt du.“ Mit den Fingerspitzen ihre Schläfen massierend, stöhnte sie unterdrückt, denn sie meinte, ihr Schädel wolle jeden Moment explodieren. Zudem war ihr plötzlich so schwindelig, dass sie Mühe hatte, aufrecht stehen zu bleiben.
Verena sah die Freundin bedenklich schwanken und griff geistesgegenwärtig nach deren Arm, um sie zur nächstbesten Sitzgelegenheit zu drängen.
„Du solltest wirklich zum Arzt gehen“, empfahl sie besorgt. „Deine Schwächeanfälle sind zwar durchaus mit Stress zu erklären, aber an deiner Stelle würde ich mich einmal auf den Kopf stellen lassen. Stell dir vor, du kippst während der Trauung um!“
„War ich schon“, erklärte Celiska heiser. „Ich bin kerngesund.“ Vom Rat ihres Hausarztes, sie solle einen Fachmann für psychosomatische Erkrankungen zu Rate ziehen, sagte sie nichts, denn sie wollte mit niemandem – und schon gar nicht mit einem Seelenklempner! – über die Dinge reden, mit denen sie sich seit nunmehr einem Jahr
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