Hexenjagd
nur, weil die Herrschaften nicht gestört werden wollten! Trotzdem … Da musste etwas gewesen sein, was sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Etwas, das nicht alltäglich … Da! Da war es wieder! Es klang, als ob jemand rief, aber so leise, dass man es kaum vernehmen konnte.
Ohne länger zu zögern, schlüpfte Celia aus dem Bett, langte im Dunkeln nach ihrem Tuch und eilte aus der Kammer. Auf dem Treppenabsatz angelangt, hörte sie erneut die Stimme, welche nun weitaus deutlicher zu verstehen war, und erkannte voller Schrecken, dass es Lady Langley war, die um Hilfe rief.
Um eine Kerze anzuzünden, war keine Zeit, also rannte sie ohne Licht die Treppe hinab. Allerdings kam sie nicht weit, denn in der Mitte des Stufenaufgangs geriet sie ins Stolpern, stieß darüber einen entsetzten Schrei aus, versuchte gleichzeitig mit den Händen einen Halt zu finden und konnte doch nicht verhindern, dass sie die restlichen Stufen kopfüber hinabstürzte und am Ende mit dem Schädel zuerst auf dem kalten Marmorboden der Diele aufschlug. Sie meinte noch den Sternenhimmel zu sehen, dessen Farbe in diesem Moment sehr merkwürdig war, da wurde es auch schon wieder pechschwarz um sie herum.
„Weck diese kleine Hexe endlich auf!“ Marys Stimme drohte sich jeden Moment zu überschlagen. „Sie stellt sich nur besinnungslos, um der Strafe zu entgehen! Das wird sie aber nicht können. Schließlich ist sie allein dafür verantwortlich, dass es der Herrin so schlecht geht.“
„Celia hat nichts getan!“ Obwohl Venice eine Höllenangst vor der älteren Frau und deren vermeintlicher Macht hatte, wollte sie die Beschuldigung gegen die Freundin nicht ohne Kommentar lassen. „Sie hat den Trunk nicht vergiftet! Warum behauptet Ihr so etwas?“
„Was ist mit der Herrin?“ Celia war gerade erst zu sich gekommen und brauchte ein paar Augenblicke, um den Rest ihrer Benommenheit abzuschütteln. „Was redet Ihr da?“
„Hexe! Du elende Hexe!“ Obwohl Venice all ihre Kraft aufwandte, um Mary festzuhalten, gelang es der hysterisch kreischenden Frau, bis zu Celias Bett zu gelangen. „Du hast ihr Gift in den Schlaftrunk getan! Du kannst nicht leugnen! Man kann es immer noch riechen, obwohl der Becher leer ist!“ Den Ausdruck des Schocks im Gesicht ihrer Rivalin als Eingeständnis wertend, ballte sie die Hände zu Fäusten, um diese dann mit einer drohenden Geste gegen Celia zu schütteln. „Ich hab deinen Plan durchschaut, du Satansbraut! Du wolltest sie aus dem Weg räumen, weil du gemerkt hast, dass sie sich die Sache mit dir und Nicholas anders überlegt hat, jawohl! Sie ist sich nämlich gar nicht mehr sicher, dass du die perfekte Schwiegertochter für sie bist. Und sobald Nicholas von deinen Machenschaften erfährt, wird auch er sich schleunigst überlegen, ob er wirklich eine Giftmischerin heiraten will.“ Marys sonst hübsches Gesicht war mit hässlichen roten Flecken übersät. Der keifende Mund, jetzt ungeschminkt, wirkte bleich und konturlos. Und die grauen Augen sprühten giftige Blitze. „Du hast endgültig ausgespielt!“ Mit diesen Worten auf den Lippen warf sie sich herum und stürmte aus dem Raum.
„Puh“, stöhnte Venice erleichtert auf. „Gott sei Dank ist sie endlich weg. Das ist ja kaum auszuhalten gewesen. Seit man dich hierher gebracht hat, setzt sie mir zu, ich soll dich wecken. Also, ich hab wirklich gedacht, sie hätte was Wichtigeres zu sagen.“ Immer noch den Kopf schüttelnd, begann sie die Dinge wegzuräumen, die sie für die Pflege der bewusstlosen Freundin gebraucht hatte.
„Was ist mit der Herrin?“, fragte Celia erneut.
„Nichts Besonderes“, beruhigte Venice. „Sie hat in der Nacht ein paar Mal auf den Thron gemusst. Aber sonst geht es ihr gut. Sie ist nur verärgert, weil sie den Weg selbst laufen musste!“ Sie begann unwillkürlich zu kichern, weil die Erinnerung an die höchste Not und Eile der alten Dame allzu lustig war. „Sie hat Nicholas zweimal bemüht. Aber dann wurde es ihr wohl doch zu peinlich. Jetzt klagt sie über Schmerzen in den Beinen.“ Dass Lady Langley Celia für ihr Missvergnügen verantwortlich machte, sagte Venice nicht, denn sie nahm an, dass die alte Dame sich wieder beruhigen würde, sobald sie feststellte, dass die unfreiwillige Darmentleerung durchaus von Vorteil für ihr Wohlbefinden war.
Sie sollte sich täuschen.
„Ihr wolltet mich sehen?“ Celia wusste durchaus, dass man momentan nicht besonders gut auf sie zu sprechen war, und war darauf gefasst, sich
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