Hexenjagd
welches sich in eine sichere Ecke gedrückt hatte, um dort Schutz zu suchen.
„Celiska?“ Vincent ließ sich in den ihr gegenüber stehenden Sessel gleiten, wobei er die verschmähte Blume vorsichtig auf dem Glastisch ablegte. „Geht’s dir gut?“ Das leichte Nicken ihres Kopfes beruhigte ihn keineswegs, denn die wächserne Blässe ihres Gesichts war nicht normal. Auch der stumpfe Ausdruck ihrer Augen war Besorgnis erregend, ebenso wie die unnatürlich steife Haltung ihres Körpers, dessen Magerkeit von dem schwarzen Hausanzug nicht genügend kaschiert wurde.
„Was willst du?“, fragte sie erneut.
„Ich wollte dir eigentlich nur sagen, wie Leid es mir tut, was ich zu dir gesagt hab“, erklärte er mit belegter Stimme. „Es war mit Sicherheit nicht so gemeint, wie es vielleicht klang. Ich war nur ein bisschen enttäuscht …“ Er musste sich räuspern, um weitersprechen zu können. „Wir … ich dachte …“, stammelte er hilflos, „ich hab eigentlich gemeint, du wärst allein.“ Was faselte er da überhaupt, fragte er sich entsetzt. Sie war die zukünftige Frau seines Bruders, und er versuchte ihr hier und jetzt zu erklären, dass er an ihr interessiert war? War er denn noch zu retten?
„Ich bin allein.“ Celiska wirkte so geistesabwesend, als wäre sie in Trance. Doch nur einen Atemzug später straffte sie sich und sah ihn offen an. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen“, erklärte sie ernst. „Du hast nur das ausgesprochen, was alle anderen denken. Aber es trifft mich nicht.“ Nicht mehr, dachte sie für sich. „Ich werde Nils heiraten, weil er mich braucht. Was und wie man darüber denkt, ist mir völlig egal. Schließlich ist es mein Leben.“
Vincent erkannte die Trostlosigkeit in ihren Augen und schluckte schwer.
„Bist du sicher?“, fragte er leise.
Als zöge man einen Schleier über die feinen Züge, war ihre Miene plötzlich eine einzige Maske der Ablehnung.
„Schon gut“, beschwichtigte er. „Eigentlich wollte ich nur Frieden mit dir schließen. Immerhin werden wir jetzt noch öfter miteinander zu tun haben. Es wäre vielleicht besser, wenn wir Freunde würden.“ Weil sie sich sichtlich entspannte, wobei ihr Gesicht wieder völlig ausdruckslos wurde, atmete er auf. „Ich … es ist spät“, erklärte er überflüssigerweise. „Es wird gut sein, wenn ich jetzt gehe. Du bist bestimmt geschafft.“ Für ein oder zwei Sekunden wartete er darauf, dass sie ihn zum Bleiben aufforderte. Da sich diesbezüglich jedoch nichts tat – Celiska brütete nach wie vor stumm vor sich hin –, stand er auf.
„Bist du wirklich ein Freund?“
Er vermochte die geflüsterten Worte kaum zu erfassen und meinte schon, sich verhört zu haben. Als ihm aber bewusst wurde, dass sie tatsächlich gesprochen hatte – und zwar so, als sei er gar nicht im Raum –, biss er sich bestürzt auf die Unterlippe.
„Was meinst du damit?“, wollte er wissen.
„Freund oder Feind, was macht das schon für einen Unterschied?“, ging sie über seine Frage hinweg, als habe er gar nichts gesagt. „Schließlich lebt jeder von uns sein eigenes Leben, nicht wahr.“
Vincent nickte bloß, doch in seinem Kopf überstürzten sich die Gedanken, während er zur Tür ging. Die Kleine war eindeutig verstört, dachte er besorgt. Auf eine sehr seltsame Art und Weise schien sie mit sich uneins zu sein. Wenn man die Sache objektiv betrachtete, machte sie den Eindruck, als wäre sie gar nicht sie selbst. Wie eine Schlafwandlerin, die Schwierigkeiten hatte, in der realen Welt festen Halt zu finden, schien sie sich in einer völlig anderen Sphäre zu verlieren. Und das war äußerst beunruhigend. Er kannte so etwas zu gut. Nun, sie würde seinen Rat kaum annehmen, gestand er sich ein. Aber auf Nils würde sie sicher hören. Er musste bloß dafür sorgen, dass der Bruder sie zu einem Arzt brachte, der sich mit solchen Dingen auskannte.
Das Mädchen packte nur die beiden Kleider in den Kleidersack, die sie mitgebracht hatte. Alle anderen wollte sie zurücklassen, weil sie wusste, dass sie die kostbaren Roben ohnehin nicht mehr würde tragen können. Aber das war nicht ihre eigentliche Sorge.
Celia wusste durchaus, was ihr bevorstand – nämlich ein Spießrutenlauf ohnegleichen. Man schickte sie zu den Eltern zurück, dachte sie voller Bitterkeit, weil man sie im Augenblick nicht sehen wollte. Und diese Verbannung war eine Schmach! Nicht nur für sie, sondern auch für die Eltern. Obwohl man das offizielle
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