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Hexenkind

Hexenkind

Titel: Hexenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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munter.«
    Teresa saß im Nachthemd auf der Bettkante des wuchtigen Eichenbettes, in dem schon Teresas Eltern geschlafen hatten. Hinter dem Bett hing ein kitschiges Bild der Heiligen Jungfrau mit Jesuskind. Beide hatten strahlende Herzen in der Brust und goldene, überladene Heiligenscheine. Teresa cremte sich energisch und ungeduldig ihre trockenen und schuppigen Ellenbogen ein, deren Haut so dick und verkrustet war wie die eines Reptils.
    Enzo, der bereits still auf dem Rücken lag und sich zu entspannen versuchte, schlug erschrocken die Augen auf und sah nur den runden Rücken seiner Frau, hart und gebeugt, als hätte sie in den letzten zwanzig Jahren Tag für Tag Kiepen voller Holz durch die Berge getragen. Ihre langen grauen Haare, die tagsüber zu einem Zopf geflochten oder im Nacken zu einem Dutt gesteckt waren, hingen offen und fransig über die Schulter.
    Hexe, dachte er, du alte grausame Hexe.

    »Warum sagst du nichts dazu?«, stocherte sie weiter.
    »Was soll ich dazu sagen? Die Tiere trinken aus dem Tümpel, darum hab ich ihn gelassen.«
    Teresa lachte kurz und trocken auf. »Sind dir die Tiere wichtiger als dein Enkel?«
    Plötzlich überkam Enzo eine unsagbare Wehmut. Wie lange hatte er schon nicht mehr lustvoll mit einer Frau geschlafen? Jahre. Er konnte sich nicht mal mehr erinnern. Sein Leben war vorbei.
    Teresa hob die Decke und schwang ihre Füße darunter. Jetzt lag sie ebenso wie Enzo auf dem Rücken und faltete die Hände auf der Brust.
    Nie wieder würde er es über sich bringen, sie anzufassen.
    »Ich bin kein Hellseher«, flüsterte er. »Jede Treppe kann zur Gefahr werden, jedes Messer, jeder Kochtopf, jedes Fenster – einfach alles. Wir können nicht in einer Höhle leben, nur weil ein kleines Kind im Haus ist.«
    »Dass du aber auch wirklich nie ein sachliches Gespräch führen kannst, sondern immer gleich sarkastisch werden musst«, schnaufte sie. »Es ist schon sehr merkwürdig, dass jetzt schon der zweite Mensch durch deine Nachlässigkeit einen schweren Unfall gehabt hat. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass ihn Edi im Gegensatz zu Rosa knapp überlebt hat.«
    »Macht es dir Spaß, so widerlich zu sein?«
    »Ich spreche nur das aus, was du dich nicht mal zu denken traust. Weil du der Realität einfach nicht ins Gesicht sehen kannst.«
    »Halt den Mund, Teresa. Mach mich nicht wütend.« Obwohl seine Stimme kraftlos klang, musste er gegen den Impuls
ankämpfen, sich auf sie zu stürzen und ihr die Luft abzudrücken, bis endlich Ruhe war.
    »Es ist einfach so. Hättest du den Teich endlich zugeschüttet, wäre das alles nicht passiert.«
    Teresa hatte ja recht, aber sie musste schließlich nicht unbedingt noch Salz in die Wunde streuen. Manchmal dachte er, dass er den Teich nicht zugeschüttet hatte, gerade weil sie so viel gezetert und gequängelt und ihn ständig drangsaliert hatte. Er wollte sie ärgern, indem er sich stur stellte. Und jetzt hatte sie ihren Triumph, wenn auch einen verdammt bitteren.
    Er drehte sich um und zog sich die Decke über die Ohren, obwohl ihn die Hüfte schmerzte, wenn er auf der Seite lag. Damit signalisierte er unmissverständlich, dass er nicht gewillt war, noch irgendein Wort zu sagen.
    »Der Herr möge dir vergeben«, murmelte Teresa, drehte sich ebenfalls zur Seite und beschloss, dass sie viel zu müde war, um jetzt noch ein Abendgebet zu sprechen. Es dauerte keine drei Minuten, da schnarchte sie bereits.

39
    Edi wurde immer dicker und schwerfälliger. Von nun an bezeichnete Teresa ihn gern als »pflegeleicht«. Wenn sie ihn vor dem Haus in die Sonne setzte, brauchte sie keine Angst mehr zu haben, dass er weglief. Er blieb sitzen, wo er war, es war ihm viel zu anstrengend, sich zu erheben und sich zu bewegen. Gab man ihm einen Kochlöffel, einen Stein oder ein Spielzeug in die Hand, so konnte er sich stundenlang damit beschäftigen. Das Bilderbuch von »Malwine in der Badewanne« begeisterte ihn jeden Tag aufs Neue. Der fingernagelgroße kleine Drache Malwine wächst in unvorstellbarem Tempo. Bald lebt er in der Badewanne, aber durch das Verschlingen von Käsebrötchen wird er immer größer und passt schließlich nur noch in das Becken des öffentlichen Schwimmbades. Zig Mal am Tag blätterte Edi das Buch durch und konnte sich bei jedem Bild ausschütten vor Lachen, als sähe er es zum ersten Mal.
    Sprach man mit ihm, hörte er grinsend zu, aber er antwortete nicht. Ganz gleich ob Lob oder Strafe, er nahm alles gleichmäßig gelassen und

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