Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
nun Lucia hier die Hausfrauenpflichten durch. Jedenfalls so gut sie diese beherrschte, und das war recht unzulänglich. Trotzdem freute sich ihre Maman darüber: "Du ahnst nicht, welche Erleichterung das für mich darstellt. Nimm dir dabei nicht zu viel vor, ma Chère, der allmorgendliche Rundgang durch das Anwesen mit interessierten Fragen an die Domestiken ist das Entscheidende. Deine sich dadurch ergebenden Anweisungen darfst du dann, wie du ja weißt, stets nur Madame de Lousin erteilen, die sie dem Gesinde weiter zu leiten hat. Und keine Bedenken, schneller als du glaubst, werden dir die Domestiken den Respekt zollen, der dir in dieser Funktion gebührt, selbst Madame de Lousin."
So tröstlich die letzte Aussage auch gemeint war, Lucia konnte sie nicht glauben. Dennoch führte sie diese für sie so schwierigen Pflichten weiterhin geduldig aus - wenn sie nur ihre kranke Maman damit entlastet.
Die übrigen Stunden verbrachte Lucia im Werk. Dort lief der Verkauf für diese Jahreszeit noch immer erstaunlich gut, und es trafen, trotz des inzwischen ungemütlichen Nebelungwetters, auch jetzt noch dann und wann Schaulustige auf dem Hügel ein.
Als sie heute auf dem Gelände ihrem Vater begegnete, machte sie ihn mit einer Kopfbewegung auf gerade wieder um sich blickende Besucher aufmerksam: "Nun brauchen wir uns keine Sorgen mehr um den Betrieb zu machen, denn diese Leute werden unsere künftigen Kunden. Wir können also optimistisch in die Zukunft blicken."
"Wie schön, dass du mir das sagst", reagierte er darauf erleichtert, und Lucia hoffte, ihn damit restlos von seiner Betroffenheit über den Schaden, den er dem Betrieb zugefügt hatte, befreit zu haben, denn das habe er verdient, meinte sie, so pflichtgetreu, wie er jetzt die Fabrikation leite.
Auch die Zukunft des Anwesens war gesichert, da Lucia für dessen Kosten aus den Betriebseinnahmen nun wieder die volle frühere Summe abzweigen konnte, die bei klugem Wirtschaften vom Frühjahr an gleichsam für die Umwandlung des Bellwillforstes zu einem Spaziergänger- und Tierparadies ausreichen sollte.
Von Leonardo hatte sie unterdessen einen humorvollen Brief erhalten: Wie geplant und erwartet, habe Donna 'Schlange' am Ende ihres Auftritts ein erbärmliches Bild abgegeben. Er hatte dem Brief eine Zeichnung mit ihrem bedepperten Gesicht beigelegt. Dreist wie sie sei, hatte er berichtet, habe sie die Gendarmen begleitet, die hätten dann die Artisti, die Garzoni und ihn einzeln befragt und von ihnen übereinstimmende Auskünfte über den bayerischen Lukas und den holländischen Sikna erfahren. Währenddessen sei das Gesicht der Donna lang und immer länger geworden, bis sie sich letztendlich schamvoll davongeschlichen habe. Jetzt bleibe abzuwarten, ob noch ein Nachspiel erfolge, womit allerdings nicht zu rechnen sei. Zum Abschluss hatte er Lucia mit einer reizenden Liebeserklärung erfreut, was sie bewogen hatte, ihm den Brief umgehend zu beantworten.
So konnte Lucia jetzt über die Entwicklung aller Geschehnisse hier wie auch in Mailand in jeder Hinsicht zufrieden sein.
Nur über den Gesundheitszustand ihrer Mutter nicht, der wollte sich einfach nicht bessern.
Wieder saß Lucia an ihrem Bett. Madame Rodder erkundigte sich, wann denn ihre Ausbildung voraussichtlich beendet sei. Um ihr eine Freude zu bereiten, aber auch, weil Lucia es nun nicht mehr für sich behalten konnte, gab sie ihr preis, dass sie vor zwei Monden zur Künstlerin ernannt worden war. Darauf leuchteten die Augen ihrer blassen Mutter auf: "Lucia, deine Ausbildung ist beendet? Du bist jetzt fertige Künstlerin?"
"Oui, Maman. Aber weil ich unter der Anleitung meines Meisters noch einige Wochen üben will, habe ich es euch noch nicht gesagt. Nur jetzt dir."
Madame Rodder tupfte sich mit einer Serviette Freudetränen ab und versprach ihr, über diese Neuigkeit zu schweigen. Dann fragte sie lächelnd: "Nennt man weibliche Artisti in Italien nicht Strega dell'Arte?"
"Oui, aber nur im Spaß. Die Mutter meines Maestros ist übrigens ebenfalls so eine, sie ist privat ausgebildete Kunsttöpferin und -malerin."
"Du aber hast an einer Kunstschule studiert", sie atmete tief durch, "ich bin . . so stolz auf dich."
"Merci, Maman." Lucia streichelte sie zärtlich. "Aber jetzt ist es genug für heute, ich wünsche dir eine gute Nacht."
"Ich dir ebenfalls."
Am Mittag des nächsten Tages bewies Madame Rodder endlich wieder etwas mehr Appetit, was Meister Rodder hinterher erfreut Lucia und Lukas berichtete. Das bestärkte
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