Hexenkuss
gesorgt, dass sie so viele Stunden wie möglich zusammen hatten, während Amanda und Nicole dafür gesorgt hatten, dass sie sich an der Schule so wenig wie möglich begegneten. Sie aßen sogar zu unterschiedlichen Zeiten zu Mittag.
Als Holly zum ersten Mal allein in einen Kurs ging - Chemie -, war sie erleichtert, dort Tommy Nagai zu treffen. Er saß an einem Labortisch mit zwei Stühlen, gläsernen Messbechern und Behältern und einem Bunsenbrenner. Er winkte ihr zu, als sie nervös in der Tür stehen blieb.
»Laborpartnerin!«, rief er und breitete die Arme aus. »Jemand, der die ganze Arbeit macht, ja? Du bist doch so jemand?«
Er schlang einen Arm um sie und führte sie durch den Raum. »Jetzt wird es sich auszahlen, dass du mich kennst«, sagte er. »Pass auf.«
Er schob sie sacht auf den Lehrer zu, einen abweisend wirkenden Mann mittleren Alters mit einer grauenvollen Frisur und einer Retro-Brille, in der seine Augen sich riesig vergrößert halb um den Kopf zu dehnen schienen wie bei einem Alien.
»Mr. Boronski«, sagte Tommy leutselig. »Meine Laborpartnerin, wenn das in Ordnung geht? Ist gerade aus San Francisco hergezogen. Amanda Andersons Cousine. Ich will sie.«
Mr. Boronski konnte sich das Lächeln nicht verkneifen. Kopfschüttelnd sah er Tommy an und sagte: »Sie müssen etwas mehr den Unnahbaren spielen, wenn Sie die Mädchen scharf auf sich machen wollen. Stimmt's, Amandas Cousine?«
»Holly«, sagte sie und fand ihn schon sympathischer.
Der Lehrer blickte auf eine ausgedruckte Namensliste hinab. Wie jeder Highschool-Schüler, der auf sich hielt, konnte Holly problemlos auch verkehrt herum liegenden Text lesen.
»Ah, da sind Sie ja. Okay. Ihr seid Laborpartner.« Er lächelte sie an. »Willkommen, Holly. Ich bitte Sie nur, ihn daran zu hindern, während des gesamten Unterrichts zu reden. Allein dafür werde ich Ihnen eine Eins geben.«
»Ich schwatze«, erklärte Tommy fröhlich. Er nahm Holly bei der Hand, führte sie durch den Raum und stellte ihr die anderen vor. »Jason, Bob, Andrea, Brenda, Scott«, benannte er das Meer von Gesichtern. Er zog sie mit sich. »Zweiter Neuer, hallo, ich bin Tommy, und das ist meine Laborpartnerin Holly. Wir werden euch den Klassendurchschnitt versauen.«
Es klingelte, und Mr. Boronski sagte: »Setzt euch bitte. Nagai, Mund halten.«
Tommy führte Holly zu ihrem Labortisch zurück. »Im Chemieunterricht sind wir alle die besten Kumpel«, erzählte er ihr. »Mach mir einfach alles nach, und bald bist du der Liebling des Periodensystems.«
»Nagai.«
»Das bedeutet >lang< auf Japanisch«, flüsterte Tommy Holly mit übertrieben anzüglichem Blick zu.
Sie tat etwas, womit sie heute nicht gerechnet hätte.
Sie lachte.
O kay, vielleicht ist die Schule doch kein solcher Albtraum...
Von Karis Armen umschlungen stand Jer auf dem Hügel, nach dem die Hill Highschool benannt war. Sein Mantel flatterte hinter ihm wie die Flügel eines großen, schwarzen Vogels.
Kialish und Eddie standen neben ihnen, hielten sich an den Händen und beobachteten die Parade der Autos, die am Straßenrand darauf warteten, Schüler abzuholen. Die Schule war sehr alt und aus Backstein gebaut. Jer hatte es hier gut gefallen. Die Schule war eine Erholung von seinem Leben zu Hause gewesen. Und obwohl er nie viele Freunde gehabt hatte - Eddie und Kialish hatte er hier gefunden.
»Kein schwarzer Mercedes«, sagte Kari schließlich.
Jer wollte nach den Anderson-Frauen sehen, vor allem nach Marie-Claire. Dass ihr Mercedes nicht hier war, um die Mädchen abzuholen, verhieß nichts Gutes.
Wenn sie sie gestern Nacht doch ermordet haben, wenn sie einen anderen Weg gefunden haben...
»Bist du dir da sicher, Mann?«, fragte Eddie sanft. »Vielleicht hatte sie tatsächlich nur ein Problem mit dem Wagen.«
Jer schloss die Augen und sprach stumm einen Findezauber. Sekunden später sagte Kialish: »Sie sitzt in einem anderen Auto.«
Jer öffnete die Augen. Tatsächlich, ein schwarzer Jeep Explorer hatte vor der Schule gehalten, und Marie-Claire Cathers-Anderson stieg auf der Fahrerseite aus. Sie eilte zum Haupteingang der Schule, als die Glocke klingelte. Schüler strömten aus den holzgerahmten Glastüren.
Kari zog ihren dunkelbraunen Ledermantel fester um sich und schmiegte sich an Jer. »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass deine Familie versuchen würde, jemandem etwas anzutun, oder?«, fragte sie. »Und warum gerade ihr?«
Du hast ja keine Ahnung, dachte er. Er steckte in einem
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