Hexenmacht
massiven zweiflügligen Holztür.
Steve klopfte kräftig dagegen.
Zunächst erfolgte keinerlei Reaktion.
Wieder glaubte ich an einem der Fenster eine Bewegung zu erkennen.
"Bist du dir sicher, dass man uns hier wirklich erwartet?", meinte Steve dann mit einem dünnen Lächeln.
"Der bärtige Jeep-Fahrer ist ja wohl der Beweis dafür!"
Im nächsten Moment hörten wir Schritte. Jemand kam an die Tür und öffnete. Offenbar war sie von innen verschlossen.
Einen Augenblick später stand uns ein Butler mit beinahe bewegungslosem Gesicht gegenüber. Um seinen Kopf herum hatte er lediglich einen schmalen, grauen Haarkranz, der aber ziemlich kurzgeschoren war. Seine Miene drückte eine Mischung aus Überheblichkeit und Misstrauen aus.
"Sie wünschen?"
"Wir sind Mr. und Mrs. Smith", erklärte Steve. "Wir wollen gerne zu Lady Blanchard."
Der Butler unterzog uns beide einer eingehenden Musterung.
Schließlich sagte er: "Folgen Sie mir. Ihr Gepäck können Sie im Flur abstellen..."
Wir wurden in eine weiträumige, spärlich eingerichtete Eingangshalle geführt.
Die wenigen Möbel, die hier zu finden waren, waren allerdings von erlesener Qualität. Antiquitäten aus viktorianischer Zeit, so vermutete ich. In Tante Lizzys Villa gab es ebenfalls einiges in diesem Stil.
Wir stellten unser Gepäck ab, wie der Butler gesagt hatte.
Eine breite Treppe führte hinauf in die oberen Geschosse.
Ein schmächtig wirkender, hohlwangiger Mann von unbestimmbarem Alter kam die Treppe hinunter. Seine dunklen Knopfaugen musterten uns. Sein Blick wirkte starr und kalt.
Unterhalb des Auges zuckte ein Muskel.
"Guten Tag", sagte er schließlich nach einem merkwürdig langen Zögern. Ich erkannte seine undeutliche Aussprache sofort wider.
"Sie sind Mr. Ellison?", vermutete ich.
"Das ist richtig."
Er flüsterte diese Worte beinahe und man hatte wirklich Mühe, ihn zu verstehen. "Und Sie müssen Mr. und Mrs. Smith sein..."
"Ja. Wir haben telefoniert."
Ellison wandte sich an den Butler. "Bringen Sie bitte das Gepäck der Herrschaften auf ihr Zimmer, Walter!"
Walter bückte sich bereits, um unsere Taschen anzuheben.
Aber ich protestierte. "Moment mal!", rief ich. "Wieso gehen Sie davon aus, dass wir hier in Ihrem Haus übernachten?"
Ellisons Gesicht blieb unbewegt.
"Ganz einfach. Heute geht kein Flug mehr zurück zum Festland. Also werden Sie zwangsläufig hierbleiben müssen. Andererseits gibt es aber auf Harris nicht viele Fremdenzimmer - von richtigen Hotels mal ganz abgesehen... Sie können sich natürlich auf die Suche machen, aber dazu muss ich Ihnen sagen, dass unser Fahrer im Moment leider anderweitig unterwegs ist und es möglicherweise ein paar Stunden dauern kann, bis er wieder zurück ist. Und ob Sie bis dahin noch eine andere Möglichkeit finden..."
"Schon gut", sagte ich. "Ich weiß Ihre Gastfreundschaft durchaus zu schätzen."
"Dann ist es ja gut!"
Ellisons Erwiderung hatte einen spitzen, unangenehmen Unterton.
"Ich fühlte mich nur ein wenig überrumpelt", gestand ich dann.
Sein Lächeln war so kalt, dass man eine Gänsehaut davon bekommen konnte.
"Entschuldigen Sie vielmals... Aber sehen Sie, vielleicht hat unser gemeinsamer Freund Greg McInnis das nicht erwähnt, aber..."
Er zögerte.
"Aber was?", hakte ich nach.
"Die meisten unserer Kunden bevorzugen es, hier zu übernachten. Und für uns ist das auch aus verschiedenen Gründen praktisch."
"In wie fern?"
"Manchmal benötigen wir zusätzliche Informationen zu den Verstorbenen... Außerdem kommt es darauf an, dass die Wachsfiguren, die für das Beschwörungsritual gestaltet werden, möglichst originalgetreu sind. Selbstverständlich ist auch die Mitwirkung unserer Kunden hilfreich..."
"Ich verstehe..."
Walter, der Butler, zögerte noch damit, die Gepäckstücke zu ergreifen und hinaufzutragen. Er sah erst fragend zu Ellison hinüber, dann in unsere Richtung.
Ich nickte ihm zu.
Und so nahm er dann das Gepäck und trug es hinauf.
Aus den Augenwinkeln heraus nahm ich plötzlich etwas wahr, was mich beunruhigte.
Ein Augenpaar...
Es schien mich zu beobachten. Ich wirbelte herum und blickte auf eine wie erstarrt dastehende Gestalt, die in einer Ecke der Eingangshalle platziert war, so dass ich sie zunächst nicht gesehen hatte.
Ich zuckte zusammen.
Es war die Gestalt eines Mannes. Mein Blick fiel auf den nicht mehr zeitgemäßen, gezwirbelten Schnurrbart und das Monokel. Und dann war da die Narbe im Gesicht...
Kein Zweifel.
Es handelte sich um
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