Hexenmacht
zog auch mich empor.
Dann griff er mit den gefesselten Händen nach einem der Stühle und schleuderte ihn der Wachsfigur entgegen. Er prallte von ihr ab.
"Tod...", murmelte eine dumpf klingende Gedankenstimme, wie wir sie bereits bei der Begegnung mit dem Narbigen am Strand vernommen hatten.
"Steve, er wird uns umbringen."
Steve sah sich nach etwas um, was sich als Waffe verwenden ließ.
Ein Fluchtweg blieb nicht.
Mein Atem ging schneller. Ich blickte etwas seitwärts und da sah ich jene Wachsfigur, die meinen angeblichen Großvater hatte darstellen sollen. John Michael Leary stand regungslos da. Das geisterhafte Leben, das die anderen Figuren erfasst zu haben schien, hatte ihn offenbar nicht erfasst.
Kein Wunder!, dachte ich. Schließlich hatte es diesen Mann ja auch nie gegeben...
Folglich war es unmöglich, seinen Geist zu beschwören.
Vielleicht war das der Faktor, der alles anders hat ablaufen lassen, als Dr. Skull und Lady Blanchard es geplant hatten!, ging es mir durch den Kopf.
Eine zweite Wachsfigur tauchte in diese Moment an der Tür auf. Es war eine Frauenfigur. Das Haar fiel ihr wirr ins Gesicht. Die Hände mit den langen Fingernägeln waren ausgestreckt wie die Krallen einer Raubkatze.
Wir wichen zurück.
Steve griff nach einer Vase und schleuderte sie unseren grauenhaften Gegnern entgegen.
Dann spürte ich plötzlich mit meinen auf dem Rücken zusammengebundenen Händen etwas kaltes.
Die marmorne Fensterbank!
Ich erschrak, denn das bedeutete, dass es kein weiteres Zurückweichen mehr gab. Ich wandte halb den Kopf. Im gleichen Moment heulte draußen ein Motor auf. Ich blickte hinab, konnte aber nichts erkennen.
Indessen stapften die wankenden Gestalten weiter auf uns zu.
Steve versuchte, der ersten von ihnen, einen Tritt versetzen, doch das blieb völlig wirkungslos.
Sie waren unaufhaltsam.
"Sie werden uns töten, Steve!", schluchzte ich.
Keinen Meter war die erste von ihnen noch entfernt.
Aber schon in den Momenten zuvor hatte ich eine Veränderung registriert...
Die Bewegungen...
Sie sind langsamer geworden!, ging es mir durch den Kopf und ich fragte mich, ob das nicht vielleicht eine Selbsttäuschung war.
Sie sahen aus, als ob...
Als ob sie keine Kraft mehr hätten!, wurde es mir klar. Wie Spielzeugroboter, deren Batterien verbraucht sind...
Und dann erstarrten sie.
Es war kaum zu glauben, aber von einem Augenblick zum nächsten waren sie wieder das, was sie ursprünglich gewesen waren. Figuren aus Wachs - tot, weil sie niemals gelebt hatten.
*
Wir verließen den Raum, starrten dabei noch ein paar mal ungläubig auf die erstarrten Wachsfiguren.
Als wir dann die Eingangshalle erreichten sahen wir ein ganzes Kabinett davon.
Und einen Toten, kurz vor der Tür.
"Der Butler!", entfuhr es Steve. Er sah mich an. "Du weißt mehr über diese Dinge, Patricia. Sag mir, was hier geschehen ist?"
"Ich weiß es nicht", erwiderte ich. Und das entsprach den Tatsachen. "Wir können nur vermuten... Vielleicht..."
"Ja?"
"Vielleicht sind die Geister der Toten nun wieder dort, woher man sie gerufen hat..."
"Es ist ihnen zu wünschen" meinte Steve. "Und was geschah mit uns?"
"Jedenfalls nicht das, was Lady Blanchard und Dr. Skull sich ausgedacht hatten..."
"Zum Glück... Die Vorstellung, als gefangener Geist in einer Wachsfigur zu existieren ist grauenhaft..." Er lächelte, wenn auch etwas matt. Und der Blick seiner grauen Augen war so warm, wie immer. Ein wärmendes Feuer in einer kühlen Nacht.
"Ich möchte wissen, wo Dr. Skull geblieben ist...", murmelte Steve mit einem Blick auf den toten Butler.
Dann gingen wir hinaus ins Freie.
In Websters Atelier fanden wir Werkzeug, um die Handschellen zu öffnen. Steve schien sich diesbezüglich ganz gut auszukennen. In einer anderen Situation hätte ich ihn vielleicht gefragt, woher. Aber im Moment interessierte mich das herzlich wenig.
Webster fanden wir auch.
Er lag in einem Lagerraum, der an das Atelier angrenzte.
Seltsam verrenkt und in tödlicher Umklammerung durch eine der gespenstischen Wachsfiguren fanden wir ihn. Langsam wurde mir klar, was diesen Künstler, der stets bestritt, einer zu sein, daran gehindert hatte, Schlaf zu finden...
Wir gingen ins Freie und ich war froh, als wir endlich die frische, kühle Luft einatmen konnten. Es hatte leicht zu regnen begonnen, aber das kümmerte mich nicht. Ich schmiegte mich an Steves breite Schulter und fühlte seine Arme an meinem Rücken.
"Es ist vorbei", sagte er und ich
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