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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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landete. Mit dem Ärmel wischte sie sich über die Lippen. »Du machst dir Sorgen um mich, so, so. Dummes Kind. Weißt du nicht mehr, wie ich dich behandelt habe? Ich kann dein Gedächtnis gern etwas auffrischen. Bloß womit anfangen? Ach. Ich habe dich zu Linnea geschleift und dein Gesicht so lange in einen Eimer mit Wasser gedrückt, bis du kaum noch Luft bekamst. Das war das einzige Mal, dass ich dich angefasst habe. Sonst habe ich immer etwas nach dir geworfen, wenn du bloß in meine Nähe gekrochen kamst. Und traf meistens den Kopf - mein Punktestand war der höchste. Yeah.«
    Ylva schluckte. Vor ihrem inneren Auge begannen die Zerrbilder ihrer Vergangenheit zu kreisen, sie in die Dunkelheit
und Kälte zu ziehen. Unwillkürlich machte sie sich klein.
    Immer auf der Hut. Immer bereit zu fliehen. Mehr Tier als Mensch, von anderen verabscheut und gehetzt.
    »Warum erzählst du mir das?«
    Micaela verzog den Mund. »Damit du weißt, was ich bin. Nämlich eine Perversion dessen, was man als menschlich bezeichnen könnte. Lass also deine Fürsorge lieber stecken, ich habe sie …«, ihre Stimme wurde mit einem Mal leiser, »nicht verdient.«
    Ylva wusste nicht, was sie tun sollte. Ihr Zorn verpuffte, ihr Mitleid zerrann. Sie musterte die Frau und fragte sich, ob jeder Metamorph ohne die Königin so endete. Ob das auch die anderen erwartete, die noch in der Villa geblieben waren. Ylva fühlte sich verantwortlich für sie. Für sie alle.
    »Was willst du hier?«, knurrte Micaela und stellte die Flasche ab. »Hau ab. Oder soll ich wieder etwas nach dir werfen, damit du verschwindest?«
    »Würdest du dich dann besser fühlen?« Ylva hörte ihre eigene Stimme wie aus weiter Ferne.
    Die Augen der Jägerin funkelten. Dann senkte sie den Kopf und vergrub das Gesicht in den Händen. »Du hast gut reden. Sitzt so erhaben auf deinem hohen Ross und blickst auf mich herab«, lallte sie in ihre Handflächen. »Du hast nie wirklich zu der Gemeinde gehört, Linnea hat nie deinen Willen gebrochen, um deinen Gehorsam zu erzwingen. Du weißt nicht, wie es ist.«
    Doch, weiß ich , wollte sie sagen, doch die Frau redete
weiter, und es schien, als könne nichts auf der Welt noch ihren Redefluss unterbrechen: »Sogar die Nichtsnutze mit ihren Fröschen, Meerschweinchen und Zwergziegen haben es gut. Sie waren zu unbedeutend, als dass Linnea sich mit ihnen beschäftigte. Aber ich und die anderen Jäger - wir waren wichtig. Wir mussten für die Königin kämpfen und uns ihre Gunst erarbeiten, um ihren Zorn nicht erleben zu müssen. Und wenn wir uns weigerten, dann betäubte sie unseren Willen jedes Mal ein bisschen mehr. Bis uns nichts von unserer Ehre übrig blieb. Bis wir so weit waren, schreckliche Dinge zu tun, ohne groß nachzudenken.« Sie sah auf. In ihrem Blick lag Verzweiflung. »Dann endete ihre Macht, und jetzt wird einem urplötzlich klar, was man all die Jahre verbrochen hat, und man versucht, alles zu vergessen, die Schuld einfach … zu ertränken.«
    Ylva hockte sich neben sie, ohne die Frau anzufassen. »Bis das Schicksal einem die Möglichkeit bietet, alles wiedergutzumachen.«
    Wieder sackte Micaelas Kopf in die Hände. Ihre Schultern begannen zu zucken. Weinte sie? Nein, Ylva hörte ein ersticktes Lachen, das einem Gackern ähnelte. »Es wiedergutzumachen? Indem ich an der Seite dieser verfluchten Kreaturen gegen eine Mächtige kämpfe?« Immer weiter steigerte sie sich in das Gelächter hinein. Dann verebbte die Hysterie. Sie senkte die Arme, fischte nach der Flasche und nuckelte daran.
    Ylva seufzte. Nein, von dieser Frau hatte sie nicht mehr viel zu erwarten. »Es wäre schön, wenn du mir sagen würdest, wo mein Vater wohnt.«

    Micaela wandte Ylva ihr blasses, schlaffes Gesicht zu. »Sieh mal einer an! Doch zu einem Familientreffen bereit?«
    Ylva antwortete nichts. So winkte die Jägerin mit der Flasche und nannte die Adresse, um sogleich weiterzutrinken.
     
    Alba versprach sofort zu kommen, nachdem Ylva die Nummer ihrer Freundin von Adrián erfragt und die junge Frau angerufen hatte. Bald traf sie mit ihrem Sportwagen ein. Bis zu dem Stadtteil, in dem Thomas Buchholz wohnte, brauchten sie knapp eine halbe Stunde. Viel zu wenig Zeit, als dass Ylva sich auf das bevorstehende Gespräch hätte vorbereiten können. Aber das hätte sie vermutlich auch dann nicht gekonnt, wenn die Fahrt Jahre gedauert hätte.
    Eidelstedt besaß mehrere Gesichter: von hektisch bis ruhig, von Großbauten bis hin zu gemütlichen

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