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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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Einfamilienhäusern. Alba verließ eine der Hauptstraßen, indem sie einen Bus schnitt und ein wütendes Hupen erntete, und lenkte den Wagen in einen Weg, in dem das Leben stillzustehen schien. Sie parkte vor einer Einfahrt - eine andere Lücke war hier nicht zu finden - und deutete auf ein Häuschen hinter einer Kirschlorbeerhecke. »Wir sind da. Soll ich mitkommen? Oder willst du allein hingehen?«
    Mit etwas Wehmut begutachtete Ylva das kleine Grundstück mit der Kinderschaukel. Wohnte hier wirklich ihr Vater? So gemütlich, so … normal. So, wie sie es
sich immer gewünscht hatte und niemals genießen durfte. »Ich glaube, da muss ich allein durch.«
    Alba nickte. »Ich warte auf dich im Auto. Wenn irgendetwas ist - ruf mich!«
    Ylva versprach es und stieg aus. Vor dem Gartentor zögerte sie, dann drückte sie auf die Klinke und ging zur Eingangstür. Sie presste ihren Daumen gegen den Klingelknopf, zuckte zurück und fragte sich, ob sie es tatsächlich gewagt hatte. So seltsam fühlte es sich an, unter dem Vordach zu stehen und auf die eigene Vergangenheit zu warten.
    Schnelle, tapsende Schritte ertönten hinter der Tür. Ein Spalt tat sich auf, und ein Gesichtchen lugte neugierig hervor. Es war ein Junge von etwa fünf Jahren, mit dunklen Haaren, blauen Augen und einem schelmischen Lächeln auf den Lippen. Ein Kind. Eines, das ein Kind sein durfte. Ein Kind ihres Vaters?
    »Hallo«, sagte es.
    »Hallo«, erwiderte Ylva und schwieg. Der Junge sah so anders aus als sie. Ob Micaela sich geirrt, ihr im Suff eine falsche Adresse genannt hatte? Bestimmt. Denn das Bild ihres Vaters, das sie in ihrem Inneren trug, ließ kein gemütliches Häuschen und kein derart friedliches, unbeschwertes Kind zu.
    Im Inneren ertönten Schritte, und eine raue Männerstimme rief: »Leon! Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst ohne meine Erlaubnis nicht die Tür öffnen!«
    Eine Frau entgegnete: »Du musst eben immer abschließen, Thomas, damit er sie nicht aufkriegt.«

    Durch den Türspalt, über den Kopf des Jungen hinweg, sah Ylva eine Gestalt, die sich näherte. Ein Mann erschien hinter dem Kleinen - drahtig und kleinwüchsig, in Flanellhemd und Jogginghose. Ylva betrachtete die sehnigen Hände, die sich schützend um den Jungen gelegt hatten - dem Mann ins Gesicht zu blicken, brachte sie nicht über sich.
    »Wer ist da?«, fragte die Frau, die anscheinend ebenfalls in den Flur getreten war.
    »Leon, geh sofort ins Wohnzimmer. Hilke, du auch.«
    »Aber, Paps …«
    Paps. Die Bezeichnung versetzte Ylva einen Stich und bewegte sie dazu, den Blick von den Händen zu lösen. Den Mann anzuschauen.
    Paps. Ihr Paps, ja, das war er. Gealtert und irgendwie … verbraucht stand er da, mit eingefallenen Wangen und deutlichen Tränensäcken unter den Augen, mit Falten, die sich an seinen Mundwinkeln gebildet hatten, so sehr hatte er die Lippen aufeinandergepresst.
    »Ich habe gesagt, ihr geht jetzt ins Wohnzimmer«, scheuchte er die Frau und den Jungen davon, trat zu Ylva unter das Vordach und schloss die Tür hinter sich.
    Nun standen sie da, von Angesicht zu Angesicht. Ylva ahnte, dass er genau wusste, wer sie war und was sie hier wollte, und dennoch fing sie an mit einem vorsichtigen: »Thomas Buchholz? Ich bin …«
    »Jacqueline.«
    Sie schluckte hörbar. Wartete, doch der Mann sagte nichts mehr. So war es an ihr, das Gespräch fortzusetzen.
»Jacqueline also. Nun ja. Ich denke, auch darüber müssen wir reden.«
    »Das müssen wir wohl.« Er trat auf sie zu und drängte sie in den Hof. »Gehen wir ein Stück.«
    Trotzig blieb sie stehen. »Nein.«
    Jetzt musste er schlucken, und Ylva beobachtete, wie sich sein Adamsapfel auf und ab bewegte. Der Mann schielte zu einem der Fenster, das gekippt war. Dann winkte er Ylva und schritt zu einem Schuppen, an dem Holzscheite aufgestapelt lagen. Sie folgte ihm.
    »Ich wusste, dass du irgendwann kommen wirst«, sagte er in geschäftlichem Ton, als er endlich stehen blieb, sich ihr aber nicht zuwandte, sondern die Wand des Schuppens anstarrte. »Micaela meinte, ich sei dir ein paar Antworten schuldig. Sie hat mich überraschend gefunden, als ich mit der Vergangenheit schon längst abgeschlossen hatte, und mich regelrecht fertiggemacht deswegen.«
    Ylva holte tief Luft. Sie wusste nicht, worauf sie gehofft hatte, als sie beschloss, hierherzukommen. Als sie ihren Vater mit dem Jungen zusammen gesehen hatte, hatte sie einen Moment Eifersucht verspürt, einen nagenden Wunsch, er würde ihr genauso wie

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