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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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doch es traf das Mädchen tiefer als jede Vergeltung, die es sich anscheinend ausgemalt hatte.
    Nicht weit von Stella hockte Oya. Die Hexe umklammerte ihre eigenen Schultern wie ein kleines Mädchen, schaukelte ihren Körper vor und zurück und schlug zwanghaft mit dem Hinterkopf gegen die Wand. Ihre Augäpfel schnellten unter den halb geschlossenen Lidern hin und her.
    Evelyn kauerte auf dem Boden, sichtlich entkräftet und bleich wie ein Leichentuch. Doch gleichzeitig ging von ihr eine solche Ausgeglichenheit aus, dass es Ylva auf eine sonderbare Weise berührte. Sie bedauerte die Mächtige nicht, dieser Anblick verleitete sie vielmehr dazu, sich für sie zu freuen. Merkwürdig. Dabei bedeutete Marias Ermordung Kalis und somit auch Evelyns Ende. Keine von beiden konnte getrennt existieren, und
eine von ihnen hatte all ihre Macht bis zum letzten Tropfen ausgeschöpft. Für die Vergeltung. Aus Liebe.
    Alba ließ sich neben der Hexe nieder, in respektvollem Abstand. Sie traute sich nicht sofort, die Mächtige anzusprechen, dabei ähnelte diese mehr einem menschlichen Wesen als je zuvor. Ihr Gesicht zeugte von Sanftmut und innerem Frieden.
    »Ist es wirklich vorbei?«, stammelte Alba scheu.
    Ein Lächeln huschte über die blutleeren Lippen der Hexe. Ein warmes, entschuldigendes Lächeln. »Scheint so. Oya ist zu verwirrt, um noch an ihre Pläne zu denken. Höchstwahrscheinlich kriegt sie sich nie wieder ein. Und die anderen Mächtigen sind einander mehr oder minder ebenbürtig und würden sich eher gegenseitig an die Kehle gehen als zuzulassen, dass eine aus ihren Reihen die Oberhand gewinnt. Keine von ihnen ist so begabt wie Oya, wenn es darum geht, die anderen zu umgarnen. Deshalb glaube ich, dass es vorbei ist.«
    »U-und was wird aus dir?« Immer noch kam es Ylva vor, als wären dies nicht wirklich die Fragen, die Alba stellen wollte - und sollte! Denn mit jeder Minute schwand die Kraft der Hexe, und die Gefahr, dass die Dämonenträger zurückkehren würden, stieg. Denn auch ohne Oya waren diese nicht zu unterschätzende Gegner. Gefährlich und aufgrund ihrer Anzahl fast unbezwingbar.
    Evelyn versuchte, sich aufzurichten, ging jedoch in die Knie und stützte sich mit einer Faust ab. »Ich bin am Ende. Siehst du doch. Aber es reicht noch, um ein paar letzte Schulden zu begleichen.« Sie seufzte, was eher dem
Ächzen eines Sterbenden glich. »Ich will mit mir im Reinen aus dieser Welt gehen, auch wenn ich meine größte Schuld - Adrián gegenüber - niemals begleichen kann. Ich wünschte mir …« Sie verstummte. Ihr trüber Blick schweifte zu Ylva und verharrte auf ihr. Lange starrten sie einander an, und Ylva fragte sich, ob Evelyn vielleicht vergessen hatte, was sie gerade sagen wollte. »Du hast mich gebeten, dich von dem Dämon zu erlösen. Ich kann es tun und dich damit gleichzeitig zurück in den Wahnsinn stoßen. Denn nur der Dämon bewahrt dich davor. Willst du es wirklich?«
    Die Hexe ließ ihr die Wahl. Wie gütig. Ylva schloss die Augen. Sofort schälte sich das Bild der zappelnden und schreienden Ziege heraus, die gierigen Hände, die nach dem Fleisch griffen. Heute hatte sie so nah wie kaum zuvor am Abgrund gestanden. Noch ein bisschen, und sie hätte sich in eine ähnliche Bestie verwandelt. Es könnte erneut geschehen. Würde sie dann widerstehen können? Konnte sie es verantworten, trotzdem zu bleiben, sich der Gefahr, der sie die Menschen in ihrer Nähe aussetzte, wohl bewusst?
    Ylva registrierte, wie Conrad ihre Hand ergriff. Sie drückte die seine zärtlich, ertastete die Stelle des fehlenden Fingers. Es schmerzte nicht mehr so sehr, sie zu berühren. Überhaupt hatte sich so vieles verändert! Anfangs, nach dem Aufwachen im Käfig, wünschte sie sich noch sehnlichst, nichts von dieser Welt bewusst mitzubekommen. Aber nun hatte sie Conrad, den sie nicht mehr missen wollte.

    Conrad, dem sie so viel Schmerz zugefügt hatte. Damals am Dammtor oder im Schlafzimmer der Villa … Irgendwann würde es wieder geschehen, vielleicht nicht ihn treffen, aber einen anderen. Der Dämon nährte sich an fremden Gefühlen, schon bald würde er sein Recht erneut einfordern.
    Sie spürte Conrads Atem an ihrem Hals. »Verlass mich nicht. Du glaubst gar nicht, wie sehr ich dich brauche.«
    Ylva presste die Lippen zusammen. Am liebsten hätte sie geheult. Aber das würde sie kaum weiterbringen, ihr die Entscheidung nicht abnehmen.
    Eine schwere Wahl. Die nicht nur sie allein betraf.
    Ylva lauschte in sich hinein.

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