Hexenseelen - Roman
Zwist zurück, wie tief wurzelte dieser Hass aufeinander, den sie von beiden Parteien empfing? Kurz erfüllte dieser Gedanke Ylva mit Traurigkeit, während das Dunkle in ihr jegliche Gefühle zerfraß. Die Rauchfühler schossen von einem zum anderen und wurmten sich in die Seelen der Kämpfenden.
Je mehr sich das Ding an den Empfindungen der Seelen labte, desto stärker fühlte sich Ylva und desto mehr wurde ihr Bewusstsein von dem Klumpen verdrängt. Schon bald kam es ihr vor, als würde ihr Wesen allein aus dem Knoten dieser schwarzen Würmer bestehen und sie in ihren Handlungen von ihm geleitet. Willenlos.
Abgestumpft. Sie schlug jeden nieder, der sich ihr in den Weg stellte, ohne zu unterscheiden, ob Metamorph oder Totenküsser. Schon längst reichte es ihr nicht mehr, ihre Gegner am Boden zu wissen, nein, sie wollte sie leiden sehen und das Dunkle mit den Qualen der Besiegten füttern.
Ylva verlor jegliches Zeitgefühl und gab sich der Schlacht hin. Warum hatte sie früher bloß gegen das Dunkle angekämpft? Warum hatte sie diese Kraft nicht schon längst entfesselt? Es war ihr Freund. Es machte sie unbesiegbar. Niemand würde es mehr wagen, sie zu bedrohen, in einen Käfig zu sperren oder ihr wehzutun.
Micaela tauchte vor ihr auf, dabei, gleich zwei Totenküsser abzuwehren. Ein dritter schlich sich von der Seite an sie heran. Ihre Katze sprang einem der Gegner ins Gesicht, doch dieser ergriff das Tier noch in der Luft und schmetterte es zu Boden.
»Gib mir Deckung!«, ächzte die Frau.
Ylva grinste und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ich glaube, dies ist ein guter Zeitpunkt, um ein paar Umstellungen in der Rangordnung vorzunehmen.«
Micaela riss die Augen auf, als sie die Faust kommen sah. Eine Sekunde später krümmte sie sich auf dem Boden und spuckte Blut. Ylva sprang über sie hinweg und mähte die beiden Totenküsser nieder.
Irgendwo zwischen ihren Füßen fiepte es. Eine Ratte krabbelte an ihrer Kleidung hoch. So ein Mistding, was fiel ihm bloß ein? Ylva schleuderte das Tier von sich. Der
Nager quiekte, doch er dachte nicht einmal daran, aufzugeben. Wieder schnellte er zu ihr, fiepte eindringlich und begann, an ihrer Jeans hochzuklettern. Ylva wollte ihn abschütteln, als er sich noch fester in den Stoff krallte und sie in die Wade biss.
Mit dem Schmerz blitzte der erschreckende Gedanke auf: Was machst du da? Halte inne! Du bist nicht mehr du selbst.
Und sie hielt inne, beugte sich vor und presste sich die Finger an die Schläfen. Das Ding in ihr versuchte, die letzten Bruchstücke ihres Verstandes zu ersticken, doch Ylva widersetzte sich ihm. Nein, sie würde zu keiner Killermaschine mutieren. Für keinen Rang der Welt würde sie ihr Ich aufgeben. Sie war stärker. Das Dunkle würde sie nicht verschlingen.
Ylva sah, wie Micaela sich erhob und mit wutverzerrtem Gesicht auf sie zuging. Wie kürzlich in der Wohnung machte sich Ylva klein, verwirrt von dem, was sie getan hatte. Entschuldige , formte sie mit den Lippen, auch wenn sie sich sonst niemals bei dieser Frau entschuldigen würde. Das war nicht ich.
Ein Schwindelanfall überkam Ylva. Das Ding bäumte sich in ihr auf. Ein heftiger Schmerz durchfuhr ihren Körper. Es kam ihr vor, als würde jemand sie bei lebendigem Leib sezieren. Die Folter steigerte sich ins Unerträgliche. Sie hörte sich schreien. Ihr wurde schwarz vor Augen. Im nächsten Moment fand sie sich auf dem Boden wieder, winselnd und wie ein Fötus zusammengekrümmt. Es tat weh, es tat so furchtbar weh!
»Dürfte ich um eine Minute Aufmerksamkeit bitten?« Ylva nahm eine hohe, mädchenhafte Stimme wahr, die beinahe in den Kampfgeräuschen untergegangen wäre. Doch etwas schwang darin mit, was für sofortige Stille sorgte. Alle Köpfe wandten sich dem Eingang zu.
Ylva blinzelte, sie musste sich anstrengen, um halbwegs zu erkennen, wohin alle blickten und was sie dort sahen.
Die Siebzehnjährige, die auf der Schwelle stand, trug einen Minirock, ein bauchfreies Top, das einen Blick auf ihr Piercing in Form eines Delfins erlaubte, und eine dünne Lederjacke, die weniger der Wärmeerhaltung diente, sondern vielmehr ein weiteres Accessoire darstellte.
»Danke«, sagte das Mädchen, schüttelte seine afrikanischen Zöpfe nach hinten und trat in den Raum. Mit ihm kamen weitere fünf Personen, die sich hinter ihm wie eine Reihe Bodyguards aufstellten. Sie alle brachten den Hauch des Todes mit sich. Sie alle gehörten zu den Totenküssern.
»Es ist mir furchtbar
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