Hexenseelen - Roman
unangenehm, aber leider muss ich eure Auseinandersetzung unterbrechen. Meine Leute sind in der Überzahl, jede Gegenwehr ist sinnlos, und ihr tut gut daran, mir zuzuhören.«
Ylva mahlte mit den Zähnen, um nicht aufzuheulen, als eine neue Welle von Schmerz über sie hereinbrach. Sie schmeckte Blut und merkte, wie sie ihre Unterlippe zerbiss. Hilfesuchend sah sie zu Linnea auf. Die Königin beachtete Ylva nicht. Die Metamorphe drängten sich um
sie, jederzeit bereit, sich in den Kampf zu stürzen und ihr Leben für die Königin zu lassen. Doch die Schlangenfrau hielt ihre Leute zurück.
»Wenn wir rasch handeln, können wir uns nach draußen durchschlagen«, zischte Micaela. »Wir müssen es versuchen.«
Linnea hob zitternd die Hand und brachte die Jägerin zum Schweigen. Das Gesicht der Königin wirkte gequält. Sie machte schnelle Atemzüge, als würde sie ersticken, und rieb sich den Hals. Ihr Blick war starr auf das Mädchen gerichtet.
Ylva stöhnte, als ein weiterer Krampf an ihren Gliedern zerrte. Ihr Blick schweifte umher und erfasste die Totenküsser, die kurz zuvor noch gekämpft hatten. Sie sahen nicht sonderlich glücklich aus über die unerwartete Hilfe. Fragend und argwöhnisch blickten sie zu dem Mann, der Ylva am Anfang geküsst hatte. Conrad, so hieß er, jetzt fiel es ihr wieder ein. Auf einmal sah er zu ihr, über die Schultern der anderen hinweg, als hätte er ihre Qualen gespürt. Als wäre er - und nicht ihre Königin - der Einzige, den das irgendwie bekümmerte.
Du hättest mich töten sollen , schickte sie ihm ihren stummen Ruf. Für einen Wimpernschlag verlor sein Gesicht die undurchdringliche Maske, und er wandte seinen Blick ab.
»Nun«, sprach das Mädchen weiter und machte ein Zeichen. Ein Mann trat hinter ihm hervor und streckte einen Arm aus. In seinem Griff ringelte sich eine giftgrüne Schlange. »Wenn sich jemand von euch Biestern
auch nur rührt, werde ich das Seelentier eurer Königin töten.«
Ein Raunen ging durch die Menge der Metamorphe. Linnea japste und stieß sich von der Wand ab, als wollte sie zu dem Mann hinüberlaufen, ihm ihr Seelentier entreißen, wurde aber von Micaela zurückgehalten.
»Nein! Tu nichts Unüberlegtes«, wisperte die Jägerin.
»Richtig, denn so weit muss es nicht kommen«, versicherte das Mädchen, und ein Lächeln umspielte seine Lippen. Seine Haltung strahlte eine Macht aus, die es offensichtlich genoss. »Ich schlage euch einen Deal vor: Ihr kommt hier unbeschadet raus und kriegt das Reptil zurück. Dafür liefert ihr mir eine von euch aus, nur eine. Ihr Name ist Ylva. Meines Erachtens ist das ein ganz guter Handel. Meint ihr nicht auch?«
Ylva hielt inne. Der Blick der Siebzehnjährigen schien an ihr zu haften. Wer war dieses Mädchen? Sie hatte es doch noch nie in ihrem Leben gesehen, ihm nichts getan! Überhaupt hatte sie mit diesem ganzen Kampf nichts zu schaffen. Der einzige Grund, warum sie in diesen Keller gelangt war, war ihr Wunsch, den jungen Mann aus ihren Erinnerungen zu finden und von ihm etwas über ihre Vergangenheit zu erfahren.
Ihre Gedanken wirbelten durcheinander.
Es ist zu viel! Ich ertrage das alles nicht. Ich will, dass das alles aufhört … Lasst mich in Ruhe! Fast hätte sie es herausgeschrien, wenn sie sich nicht in die Hand gebissen und jeglichen Ton erstickt hätte. Das Dunkle leckte an ihrer Panik, wuchs an, und die Schmerzen ließen ein wenig
nach. Wenn es bekam, was es wollte, registrierte Ylva, hörte es ein wenig auf, sie zu quälen. Aber es durfte nichts weiter bekommen. Kein bisschen mehr!
»Wie ich merke, hat die Angelegenheit nichts mit meinem Clan zu tun. Unter diesen Umständen überlasse ich Ihnen gern das Feld, Stella.«
Ylva schaute den Sprecher an. Es war Conrad. Er redete unglaublich leise, was ihrem sensiblen Gehör angenehm erschien, und deutlich, als achtete er darauf, keinen Laut zu verschlucken. Trotzdem klang seine Sprache etwas befremdlich in ihren Ohren, besonders wenn er das »ch« mit einem »kh« vertauschte.
»Nicht so schnell. Ich habe Ihnen …« Das Mädchen stockte und verzog das Gesicht. Trotzig schob es sein Kinn vor und funkelte den Mann an. »… dir bereits angeboten, dass du dich dem Messias anschließt. Damals hast du es ausgeschlagen. Nun, hier bekommst du eine zweite Chance. Schwöre dem Erlöser die Treue, und er wird dich und deinen Clan in die glorreiche Zukunft führen.«
Der Mann blieb unbeeindruckt, oder zumindest zeigte er nicht, was in ihm vorging. Wenn Ylva
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