Hexenseelen - Roman
bringen!«
Doch sie wollte sich nicht verteidigen, sie wollte … ihn verschlingen?
Conrad konzentrierte sich auf ihren Geist, um sie wenigstens so zu erreichen, obwohl er sich sicher war, gleich auf eine mentale Barriere zu stoßen. Aber es gab nichts, was ihn daran hinderte, in ihren Kopf einzudringen. Er glitt hinein und erschrak. Etwas Fremdartiges und Böses lauerte darin, was ihn zum sofortigen Rückzug nötigte. Ähnlich wie bei dem Kuss. Wem auch immer dieser Geist gehörte, einem Metamorph-Mädchen gewiss nicht.
Endlich gelang es Conrad, Ylva zu packen. An den Handgelenken hielt er sie fest. Schwach und unregelmäßig pochte der Puls unter seinen Fingern. Verflucht. Die Kleine würde sterben. Und er war schuld daran, schließlich hatte er ihr die Lebensenergie genommen. Beherrschte womöglich deshalb nun das Fremde ihren Körper? Aber wie war es überhaupt hineingelangt? Zu viele Fragen, zu wenige Antworten und vor allem: keine Zeit.
Er zerrte Ylva auf die Beine und schaffte es, sie zum Zaun zu schleifen, obwohl sie jaulte und um sich trat.
Ich habe die Schlange , streifte Rivas’ Meldung seine Gedanken. Gleich darauf tauchte der Mann vor ihm aus der
Dunkelheit auf, das sich ringelnde Reptil in der Hand. »Ist das diese Ylva? Soll ich für Ihre Rückendeckung sorgen, während Sie das Mädchen fortbringen?«, fragte er, als er Conrads Anstrengungen bemerkte.
»Ja. Und sichern Sie den Rückzug unserer Leute. Wir müssen hier schnellstmöglich verschwinden.«
Vielleicht lenkte ihn die Unterhaltung zu sehr ab, vielleicht hatte er nicht gemerkt, wie sein Griff sich gelockert hatte. Ylva jedenfalls - oder dieses Wesen in ihr - nutzte die Chance sofort. Sie warf sich herum, so heftig, dass ihre Schulter knackte, und rammte ihm das Knie zwischen die Beine.
Der Schmerz explodierte in seinen Lenden und schien den ganzen Unterleib zu erfassen. Conrad klappte zusammen und bedeckte sein Gemächt instinktiv mit den Händen, obgleich eine kleine Ewigkeit zu spät. Er wagte es kaum, sich zu bewegen, und hatte das Gefühl, alles untenherum würde aufs Unerträglichste anschwellen.
Es dauerte, bis der Schmerz auch nur halbwegs nachließ.
Als er endlich wieder aufschaute, war das Mädchen weg, und er konnte es nirgends ausmachen. Nur Rivas stand da. Und grinste. »Dass ich einmal Zeuge werden würde, wie unser Oberhaupt wegen einer Frau in Tränen ausbricht …«
Conrad knirschte mit den Zähnen. Hätte er sich aufrichten können, wäre er nicht der Einzige hier gewesen, der geweint hätte. Nach ein paar weiteren Minuten war er immerhin in der Lage, sich zu rühren. Er schaute sich
um und stellte fest, dass Stella und die meisten ihrer Gefolgsleute fort waren. Hinter dem Mädchen her?
Conrad stützte sich am Zaun ab und versuchte, das schmerzliche Ziehen in seinen Weichteilen zu ignorieren. »Also gut. Sie bringen die Schlange und unsere Leute hier weg. Und ich kümmere mich um diese Ylva.«
»Sie ist direkt durch die Büsche davongestürmt, ehe ich auch nur blinzeln konnte. Wer weiß, wo sie sich jetzt herumtreibt. Wie wollen Sie sie finden?«
»Ich habe etwas von ihrer Lebensenergie genommen. Ich kann ihr also überallhin folgen, mein Instinkt wird mich zu ihr führen.«
Rivas erheiterter Blick wanderte zu Conrads Hosenbund. Seine Mundwinkel zuckten, als würde er sich Mühe geben, sich ein Lachen zu verkneifen. »Sollte nicht lieber ich …«
»Es geht schon, danke für Ihre Fürsorge.«
Conrad stieß sich ab und schlich davon. Hoffentlich würde es ihm bald gelingen, einen Zahn zuzulegen, statt in diesem Schneckentempo vorzurücken. Er musste sich beeilen und das Mädchen finden. Bevor Ylva seinetwegen starb oder in feindliche Hände geriet.
Kapitel 7
Y lva reckte sich mit geschlossenen Augen. Ihre Muskeln taten weh, besonders am Rücken. Unter sich spürte sie einen harten, unebenen Boden, auf dem es ihr schwerfiel, eine komfortable Position einzunehmen. Egal, wie sie sich drehte, es kam ihr vor, als läge sie auf einer Folterbank. Nur ihr Kopf hatte es bequem und ruhte auf einem weichen Knäuel.
Sie blinzelte. Erfasste nicht sofort die Umgebung. Das Bild wirkte verschwommen und dunkel. Deshalb verließ sie sich auf ihre Nase und witterte. Die Luft roch nach Erde und Pflanzen, die sie nicht kannte. Warm, feucht und etwas schwül. Als wäre sie in einem exotischen Wald aufgewacht. Aber anders als in einem echten Wald war es hier unglaublich still. Kein Wind raschelte in den Baumkronen, keine Tiere
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