Hexenseelen - Roman
beunruhigte und verwirrte, war die Tatsache, dass zu Stellas Leuten anscheinend tatsächlich Menschen gehörten. Conrad konnte kaum seinen eigenen Sinnen trauen. Was hatte das zu bedeuten? Jeder Nachzehrer, auch der größte Einzelgänger, hütete das Geheimnis seiner Existenz und würde es niemals preisgeben. Egal, welche Auseinandersetzungen sie auszutragen hatten, Menschen durften nicht mit hineingezogen werden.
Doch das Grübeln musste er auf später verschieben.
Einige der Feinde bewachten die anderen Seiten des Hauses, doch die meisten schienen auf der Südseite schwer beschäftigt zu sein. Sie versuchten jemanden anzugreifen, dessen Aura Conrad trotz aller Anstrengungen nicht wahrnehmen konnte. Und obwohl dieser Jemand gegen schätzungsweise ein Dutzend Untote und unzählige Menschen bestehen musste, hielt er sich gut. Nur wie lange noch?
Wir sind bereit , ließ Rivas ihn wissen, und Conrad schickte einen mentalen Ruf zum Angriff zurück.
Er zog seine Handschuhe zurecht, bündelte die Energie und sprang vom Dach mitten in den Kampf, den er beobachtet hatte. Wer auch immer dieser Jemand war, etwas Unterstützung würde er sicherlich nicht ablehnen.
Und Conrad widerstrebte es, den unbekannten Helfer in diesem Gemetzel allein zu lassen.
Mit der Wucht seines Falls riss er einen der Angreifer zu Boden. Sogleich verdrängten seine Instinkte alles andere. Es ging nur ums Töten. Wie immer.
Unter den Feinden kam es zu einem Durcheinander, die Wendung hatte anscheinend keiner von ihnen erwartet. In der Nähe hallten Stellas knappe Kommandos, die sie dem einen oder anderen zubellte. Natürlich, die Menschen waren nicht in der Lage, durch das Âjnâ zu kommunizieren.
Conrad gelang es, einen Blick auf den unbekannten Helfer zu erhaschen, und er hielt inne. Es war das Mädchen, das er bei der Erstürmung des Kellers angegriffen hatte. Nur konnte er an der Kleinen nicht die typische Aura der Metamorphe wahrnehmen. Tiefe Schwärze verschlang ihre ausgemergelte Gestalt - eine Farbe, die er in diesem Ausmaß noch nie zuvor bei einem Lebenden oder Untoten gesehen hatte.
Jemand rammte ihn in die Seite, Conrad wehrte den Schlag ab und schaute erneut zu dem Mädchen. Etwas stimmte mit der jungen Frau nicht. Ihre Bewegungen wirkten seltsam hölzern und ruckartig, als würde sie ihren eigenen Körper nicht ganz beherrschen. Im Kampf indes konnte ihr keiner das Wasser reichen. Und es war gar nicht die physische Stärke, die aus ihr einen Killer machte, sondern etwas anderes, was Conrad nicht in Worte fassen konnte. Als würde sie ihre Feinde vernichten, indem sie ihren Widerstandswillen brach.
»Das ist Ylva«, hörte er Linneas Stimme und bemerkte erst jetzt, dass die Königin der Metamorphe sich zu ihm durchgekämpft hatte und ihm Rückendeckung gab.
»Ylva«, wiederholte er, ohne sich dessen bewusst zu sein. Das Mädchen, das Stella unbedingt haben wollte und das sie nicht bekommen durfte.
Stella erschien wie gerufen, bleich und mit zerzausten Zöpfen, die bei jedem Schwung um ihren Kopf wirbelten. Ihre Jacke hatte sie verloren, das Top war an der Schulter aufgerissen und entblößte einen Spitzen-BH über ihren kaum entwickelten Brüsten. Das Delfin-Piercing an ihrem Nabel fehlte, und ihr Bauch war blutverschmiert. Sie sah wahrhaftig wie eine wandelnde Leiche aus. Eine höchst gefährliche Leiche.
Ihr Blick haftete an Ylva. Die Nachzehrerin holte mit ihrem Kettengürtel aus, schwang ihn einige Male über dem Kopf, um ihn dann auf ihr Ziel schnellen zu lassen.
Conrad stürzte zu Ylva. Zwei Untote versuchten, ihm den Weg abzuschneiden, doch er warf sie von sich wie Welpen, die in ihrer Ekstase ihr Herrchen ansprangen. Er riss das Mädchen zu Boden, bevor die Kette neben ihnen niederpeitschte und sie beide um Haaresbreite verfehlte.
Ylva fauchte, holte aus und fuhr ihm mit den Fingernägeln über die Wange. Ihre blutunterlaufenen Augen rollten hin und her, bis allein das Weiße zu sehen war. Ihre Lider flatterten. Conrad drückte sie mit seinem Körper nieder, versuchte, ihre Handgelenke zu packen. Er musste sie hier fortschaffen, egal, wie sehr sie sich dagegen wehrte. Da fauchte die Kleine erneut, zerrte ihm
Jacke und Hemd von der Schulter, stieß ein Gurgeln hervor und schlug ihm die Zähne ins Fleisch.
Er keuchte vor Schmerz auf. »Ein Danke hätte auch gereicht.«
Sie reagierte nicht, biss immer und immer wieder zu.
»Hören Sie auf, ich werde Ihnen nichts tun. Ich bin hier, um Sie in Sicherheit zu
Weitere Kostenlose Bücher