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Hexenseelen - Roman

Hexenseelen - Roman

Titel: Hexenseelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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hier das Chaos veranstaltet hatte. Dass der Dämon, den sie kurz vor dem Einschlafen so übermächtig gespürt hatte, zwar immer noch in ihr lauerte, aber nicht mehr versuchte, ihren Verstand auszulöschen. Doch diese Sorgen streiften ihr Hirn nur und verflüchtigten sich, während sie Conrads Gesicht betrachtete. Ein Gesicht, das ihr so friedlich erschien. Sommerwarm. Sie schwieg, denn auf keinen Fall wollte sie diesen Frieden stören, der sich auch in ihr ausbreitete, je länger sie ihm zusah.

    »Ylva? Ist alles in Ordnung?«, wiederholte er, und eine tiefe Falte grub sich zwischen seine Augenbrauen. Zu gern hätte sie ihm diese Falte glattgestrichen, aber ihn zu berühren bedeutete eine Nähe, die sie ängstigte. Weil sie damit alles zerstören könnte: den Frieden, diese Zweisamkeit, die Lüge von Wärme und Nähe.
    »Ja. Und bei dir?« Auf einmal erschien ihr alles, was sie sagte - oder sagen wollte - so banal. Sie fühlte sich wie ein Kind, das überraschend die ungeteilte Aufmerksamkeit eines Erwachsenen genoss. Ylva fragte sich, ob seine Augen ebenfalls bloß ein Kind vor sich sahen.
    »Inzwischen geht es mir um einiges besser.« Conrad versuchte sich zu erheben, was ihm nicht sofort gelang und ihm ein schmerzerfülltes Keuchen entlockte. »Anscheinend brauchen meine Rippen doch noch etwas mehr Zeit.«
    Als er mehr oder minder sicher aufrecht stand, streckte er seinen Arm aus. Ungläubig starrte Ylva auf die offene Handfläche. Hatte er tatsächlich vor, sie, das Rattenmädchen, anzufassen?
    Der Unglaube schlug in Unbehagen um, sie spürte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief, Myriaden von Eiskristallen auf ihre Haut einstachen. Die Angst vor Conrad, die Angst vor diesem personifizierten Tod, die so präsent war wie noch nie zuvor, brach mit aller Gewalt über Ylva herein.
    Sie musste ihre Gefühle verraten haben, ob durch einen unbedachten Ton oder irgendeine Regung, denn Conrad senkte den Arm und ging auf Abstand zu ihr.
Einige Meter weiter lehnte er sich gegen die Wand. »Ist es besser so?«
    Ylva sprang auf die Füße, wollte ihm entgegengehen, aber die Angst vor ihm ließ sie erstarren. Die Furcht saß ihr tief in den Knochen, lähmte sie, als schließe sich ein eisiger Sarkophag um ihren Leib. Mit bebenden Fingern fuhr sie sich über die Stirn. Was geschah bloß mit ihr? So schlimm hatte es sich noch nie angefühlt. Zumindest konnte sie zuvor ihre Angst mehr oder minder unter Kontrolle halten. Jetzt war sie ihr vollkommen ausgeliefert.
    »Es tut mir leid.« Sie suchte nach einer Erklärung und wusste nicht, was sie noch hätte sagen können. Ihr Kopf war wie leergefegt, allerdings auf eine deutlich bedrückendere Weise als zuvor.
    »Es ist schon in Ordnung«, erwiderte er. »Du kannst ja nichts dafür.«
    Von einer Sekunde auf die andere hatte sich alles verändert. Einige Haarsträhnen fielen ihm in die Stirn und warfen Schatten, die unnatürlich scharf und dunkel erschienen. Das Morgenlicht, das durch die abgerissenen Gardinen drang, zeichnete seine Haut fahl, die Lippen wirkten blutleer, beinahe bläulich.
    Ylva öffnete den Mund, um etwas zu sagen, um das Gespräch in Gang zu halten, aber ihre Zunge gehorchte ihr nicht.
    Ylva hörte ihn nach Luft schnappen. Sein ganzer Körper erstarrte.
    »Lauf!«, befahl er plötzlich.

    Es glich einer Ohrfeige. Ylva schüttelte den Kopf, als hätte sie tatsächlich eine gescheuert bekommen. »Was ist los?« Was habe ich falsch gemacht?
    »Ich sagte doch: Lauf!«
    »Sind wir in Gefahr? Werden wir angegriffen?«, stammelte Ylva, obwohl sie keine ungebetenen Gäste wittern konnte. Nur die Müllcontainer aus dem Hinterhof und ein Rührei mit Speck, das jemand in einer der Wohnungen zubereitete.
    » Ich bin die Gefahr.« Er hob den Kopf. Fiebrige, unnatürlich große schwarze Augen starrten ihr entgegen, in denen sie seine Gier lodern sah.
    Ylva brauchte keine weiteren Erklärungen. Sie fuhr herum und rannte, spürte den Atem des Todes in ihrem Nacken. Sie erreichte die aus den Angeln gehobene Wohnungstür und drehte sich um, obwohl sie damit wertvolle Sekunden verschleuderte. Aber sie musste sich umdrehen, musste noch einmal in sein Gesicht blicken, um sich zu vergewissern, dass sie nicht den Conrad sehen würde, den sie kannte. Sondern ein Monster.
    Conrad war in sich zusammengesunken und kauerte steif auf der Schwelle zum Wohnzimmer, bis ihn ein Beben durchlief und er sich noch mehr anspannte. Bei seinem Anblick zog sich ihr das Herz zusammen. Er

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