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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zwei Türen weiter, und hole ein wenig Schlaf nach.«
    Michael nahm die Krawatte ab und zog sein Jackett aus; dann ging er ins Bad und wusch sich das Gesicht; er nahm gerade seine Zigaretten aus dem Koffer, als der Kaffee kam.
    Überrascht und ein bißchen beunruhigt sah er, daß Aaron mit sorgenvoller Miene zurück kam. Dabei waren kaum fünf Minuten vergangen.
    Aaron befahl dem jungen Hausdiener, das Kaffeetablett dem Fenster gegenüber auf den Tisch zu stellen, und wartete, bis er gegangen war.
    »Schlechte Nachrichten, Michael.«
    »Was soll das heißen?«
    »Ich habe soeben in London angerufen und mir meine Nachrichten durchgeben lassen. Anscheinend haben sie versucht, mich in San Francisco zu erreichen, um mir zu sagen, daß Rowans Mutter im Sterben liegt.«
    »Rowan wird das wissen wollen, Aaron.«
    »Es ist vorbei, Michael. Deirdre Mayfair ist heute morgen gegen fünf gestorben.« Seine Stimme klang ein wenig brüchig.
    »Wie furchtbar für Rowan«, sagte Michael. »Sie ahnen nicht, wie das auf sie wirken wird. Sie können sich’s einfach nicht vorstellen.«
    »Sie ist unterwegs hierher, Michael. Sie hat den Bestatter angerufen und ihn gebeten, die Begräbnisfeier zu verschieben. Er war einverstanden. Dabei hat sie sich nach dem Pontchartrain Hotel erkundigt. Wir werden natürlich feststellen, ob sie ein Zimmer reserviert hat oder nicht. Aber ich glaube, wir können damit rechnen, daß sie sehr bald eintrifft.«
    »Sie sind schlimmer als das FBI, wissen Sie das?« sagte Michael.
    »Ja, wir sind sehr gründlich«, bestätigte Aaron betrübt. »Wir denken an alles. Ich frage mich, ob Gott die Vorgänge, die wir beobachten, ebenso gleichmütig betrachtet wie wir.«
    »Sie kannten Rowans Mutter?« fragte Michael.
    »Ja, ich kannte sie«, sagte Aaron bitter. »Und ich habe nie auch nur die geringste Kleinigkeit tun können, um ihr zu helfen. Aber so ergeht es uns oft, wissen Sie. Vielleicht wird es diesmal anders sein. Vielleicht auch nicht.« Er ging zur Tür. »Es steht alles dort drinnen«, sagte er und deutete auf die Akte. »Wir haben jetzt keine Zeit mehr zum Reden.«
    Michael sah ihm hilflos nach, als er schweigend hinausging. Dieser kleine Gefühlsausbruch war völlig überraschend gekommen, aber er hatte auch beruhigend gewirkt. Es betrübte ihn, daß er nichts Tröstendes hatte sagen können.
    Er nahm die lederne Aktenmappe vom Bett und legte sie auf den Schreibtisch. Dann holte er seine Zigaretten und setzte sich in den Ledersessel dahinter. Beinahe abwesend langte er nach der silbernen Kaffeekanne, schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und goß heiße Milch hinzu.
    Süßer Duft erfüllte das Zimmer.
    Er klappte den Deckel auf und nahm die braungebundene Akte heraus, auf der nur stand:
     
    »DIE MAYFAIR-HEXEN: NUMMER EINS«.
     
    Die Akte enthielt ein dickes, gebundenes Typoskript und einen Umschlag mit der Aufschrift »Photokopien von Originaldokumenten«.
    Sein Herz sehnte sich nach Rowan.
    Er begann zu lesen.

 
    12
     
     
    Es war eine Stunde später, als Rowan im Hotel anrief. Sie hatte die paar leichten Sommersachen gepackt, die sie hatte. Tatsächlich war das Packen eine kleine Überraschung gewesen: Wie von ferne hatte sie sich dabei zugeschaut, daß sie auswählte, handelte. Leichtes Seidenzeug war in die Koffer gewandert, Blusen und Kleider, die sie vor Jahren für irgendeinen Urlaub gekauft und seitdem nie wieder getragen hatte. Ein Berg von Schmuck, vergessen seit dem College. Ungeöffnete Parfümfläschchen. Zierliche hochhackige Schuhe, die noch nie aus dem Karton genommen worden waren. In all den Jahren als Ärztin hatte sie keine Zeit für solche Dinge gehabt. Nun, jetzt würden sie ihr gute Dienste leisten. Sie packte auch eine Kosmetiktasche dazu, die sie seit einem Jahr nicht mehr geöffnet hatte.
    Eine liebenswürdige Südstaatenstimme meldete sich im Hotel. Jawohl, es gab eine freie Suite. Nein, Mr. Curry sei nicht im Hause. Er habe aber eine Nachricht für sie hinterlassen: Er sei ausgegangen, werde aber binnen vierundzwanzig Stunden zurückrufen. Nein, wo er sei oder wann er zurück kommen werde, wußte man nicht.
    »Okay«, sagte Rowan mit müdem Seufzen. »Bitte notieren Sie folgendes: Sagen Sie ihm, ich komme. Sagen Sie ihm, meine Mutter ist gestorben. Die Beerdigung ist morgen, bei Lonigan und Söhne. Haben Sie das?«
    »Ja, Ma’am. Und ich möchte Ihnen sagen, daß wir alle sehr traurig sind, das von Ihrer Mutter zu hören. Ich habe mich irgend wie daran gewöhnt, sie da

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