Hexenstunde
Kind vor mir auf dem Sattel. Und wir ritten mitten durch die Asche am Kreuzweg, und ich konnte nicht feststellen, daß sie auch nur einen Blick darauf warf. Auch zu dem Steinkreis schaute sie nicht einmal hinüber. Und der Burg sandte sie gleichfalls kein Lebwohl, als wir die Straße hinunter am Ufer von Loch Donnelaith entlangritten.
Beim ersten Gasthaus, in dem wir abstiegen, hatte ich endlich begriffen, was ich getan hatte. Ich hatte das Mädchen nun in meinem Besitz: stumm, wehrlos, sehr schön und in mancher Hinsicht wie eine erwachsene Frau – ich dagegen wenig mehr als ein Knabe, alt genug aber, um keiner mehr zu sein, und ich hatte sie ohne die Erlaubnis der Talamasca mitgenommen und mußte nun bei meiner Rückkehr vielleicht ein furchtbares Gewitter von Vorwürfen gewärtigen.
Wir bezogen zwei Zimmer, wie es sich gehörte, denn sie sah eher wie eine Frau denn wie ein Kind aus. Aber ich wagte nicht, sie allein zu lassen, weil ich fürchtete, sie könne fortlaufen, und so hüllte ich mich in meinen Mantel, als werde der mich irgend wie im Zaume halten, legte mich ihr gegenüber ins Heu und starrte sie an, und dabei überlegte ich, was nun zu tun sei.
Im Licht der stinkenden Kerze sah ich nun, daß sie ein paar Locken ihres schwarzen Haars in zwei kleinen Knoten zu beiden Seiten des Kopfes trug, hoch oben, wie um die restliche Haarfülle zurück zu drängen, und daß ihre Augen ganz wie die Augen einer Katze waren. Das soll heißen, sie waren oval und schmal und außen um ein winziges Stück nach oben gezogen, und es lag ein Glanz darin. Ihre Wangen waren rund, aber zierlich zugleich. Es war keineswegs ein Bauernantlitz, denn dazu war es viel zu fein, und unter dem Lumpenkleid saßen die hohen, vollen Brüste einer Frau, und ihre Fesseln, die sie vor sich kreuzte, ehe sie sich auf den Boden setzte, waren äußerst wohlgeformt. Ihren Mund aber konnte ich nicht anschauen, ohne daß ich ihn küssen wollte, und ich schämte mich solcher Phantasien in meinem Kopf.
Was mochten wohl ihre Gedanken sein? Ich versuchte darin zu lesen, aber anscheinend merkte sie es und verschloß ihren Geist vor mir. Endlich dachte ich auch an die einfachen Dinge: daß sie Speise brauchte und schickliche Bekleidung – es war beinahe wie die Entdeckung, daß die Sonne den Menschen wärmt und Wasser seinen Durst löscht -, und so machte ich mich auf, Essen für sie und Wein zu besorgen und ein ordentliches Kleid zu erwerben, und ich brachte auch einen Eimer warmes Wasser zum Waschen und eine Bürste für ihr Haar mit.
Sie starrte diese Dinge an, als ob sie nicht wüßte, was es sei. Und im Licht der Kerze sah ich jetzt auch, daß sie von Dreck und Peitschenstriemen bedeckt war und daß hier und da Knochen durch die Haut schimmerten.
Stefan, muß einer Holländer sein, damit ihn vor solchem Zustand graut? Ich schwöre dir, ich war von Mitleid verzehrt, als ich sie auszog und badete, aber der Mann in mir litt Höllenqualen. Ihre Haut war hell und zart, sie war reif, ein Kind zu tragen, und sie leistete nicht den geringsten Widerstand, als ich sie säuberte, dann ankleidete und ihr schließlich das Haar bürstete.
Nun hatte ich inzwischen schon ein wenig über Frauen gelernt, aber ich verstand mich längst nicht so gut auf sie wie auf meine Bücher. Und dieses Geschöpf erschien mir um so geheimnisvoller, da es nackt und hilflos stumm war; die ganze Zeit indessen starrte sie mich aus dem Gefängnis ihres Leibes heraus mit wilden, stummen Augen an, daß ich ein wenig Angst bekam und spürte, daß sie mich wohl, sollten meine Hände etwa auf unschickliche Weise über ihren Leib wandern, tot zu Boden strecken möchte.
Sie zuckte mit keiner Wimper, als ich die Peitschenstriemen auf ihrem Rücken wusch.
Hernach fütterte ich sie mit einem hölzernem Löffel, Stefan, und obgleich sie jeden Bissen von mir nahm, ergriff sie nichts aus eigenem Antrieb und half mir auch nicht.
In der Nacht erwachte ich; mir hatte geträumt, daß ich sie genommen hätte, und ich war sehr erleichtert, daß ich es nicht getan hatte. Aber sie war wach, und sie beobachtete mich mit den Augen einer Katze. Eine Weile schaute ich sie an und versuchte von neuem, ihre Gedanken zu lesen. Das Mondlicht strömte durchs offene Fenster herein, und mit ihm ein kräftiger kalter Luftzug. Im Lichtschein sah ich, daß sie ihre ausdruckslose Miene verloren hatte und böse und zornig aussah, und das erschreckte mich. Sie sah aus wie ein wildes Etwas, angetan mit einem blauen
Weitere Kostenlose Bücher