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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Sorgen machen.
    Wie heiter und gelassen sie an dieser Tafel speisten, die doch Deborahs Tafel gewesen war, vom Silber, das ihr Silber gewesen war, während sie in dieser erbärmlichen Zelle kauerte.
    Schließlich bat ich, man möge sie wenigstens strangulieren, ehe sie verbrannt würde. »Wer von Euch hat denn schon mit eigenen Augen einen Menschen den Feuertod sterben sehen?« Aber man winkte nur müde ab.
    »Die Hexe bereut nicht«, sagte die Comtesse de Chamillart, die einzige, die nüchtern zu sein und sogar ein wenig Angst zu haben schien.
    »Was wird sie leiden? Ein Viertelstündlein höchstens«, meinte der Inquisitor und wischte sich mit einer Serviette über den Mund. »Was ist das schon, verglichen mit dem ewigen Feuer der Hölle!« Schließlich ging ich. Ich überquerte den wimmelnden Platz, wo offenbar an lauter kleinen Feuern munter getrunken wurde; vor dem grimmigen Scheiterhaufen blieb ich stehen und betrachtete den Pfahl hoch oben mit den eisernen Kettenringen, und zufällig wanderte mein Blick weiter nach links zu dem dreifachen Bogen des Kirchenportals. Und dort, im rohen Schnitzwerk vergangener Zeiten, sah ich die Dämonen der Hölle, die vom Hl. Erzengel Michael in die Flammen hinuntergetrieben wurden, während sein Dreizack den Bauch des Bösen durchbohrte.
    Die Worte des Inquisitors klangen mir in den Ohren, als ich das häßliche Bildnis im Feuerschein betrachtete. »Was wird sie leiden? Ein Viertelstündlein höchstens! Was ist das schon, verglichen mit dem ewigen Feuer der Hölle?«
    Oh, Deborah, die niemals jemandem willentlich ein Leid getan hatte, die ihre Heilkünste den Ärmsten wie den Reichsten gebracht hatte und die so unvernünftig gewesen war!
    Und wo war ihr rächender Geist, ihr Lasher, der versucht hatte, sie vor Schmerz zu bewahren, indem er ihren Mann nieder gestreckt hatte, und der sie gerade damit in diese elende Zelle gebracht hatte? War er bei ihr, wie sie gesagt hatte? Nicht seinen Namen hatte sie unter der Folter gerufen, sondern meinen und den ihres alten, gütigen Gemahls Roelant.
    Stefan, ich habe dies heute nacht nieder geschrieben, um dem Wahnsinn zu wehren, nicht nur, um Bericht zu geben. Ich bin jetzt müde. Mein Koffer ist gepackt, und ich bin bereit, diese Stadt zu verlassen, sobald ich das Ende dieser bitteren Geschichte gesehen habe. Ich will den Brief noch versiegeln und ihn mit der üblichen Anmerkung in meinen Koffer legen – daß im Falle meines Todes in Amsterdam eine Belohnung auf denjenigen wartet, der ihn dort abliefere, und so weiter und so fort.
    Denn ich weiß nicht, was der Morgen bringen wird. Und ich werde die Fortsetzung dieser Tragödie einem neuen Brief anvertrauen, wenn ich morgen abend in einer anderen Stadt eingekehrt bin.
    Das erste Sonnenlicht scheint zu den Fenstern herein. Ich bete darum, daß Deborah noch irgend wie gerettet werden möge; aber ich weiß, daß es ausgeschlossen ist. Und, Stefan, ich würde ihren Teufel zu mir rufen, wenn ich dächte, daß er auf mich hört. Ich würde alles versuchen, was in meiner und seiner Macht stände. Aber ich weiß, daß ich solche Macht nicht habe, und so warte ich.
    Getreu der Eure in der Talamasca
    Petyr van Abel
    Montcleve
    Zu St. Michaelis 1689
     
    Michael hatte das erste Typoskript zu Ende gelesen. Er zog das zweite aus seinem braunen Umschlag. Eine ganze Weile saß er da, die Hände über dem Papier gefaltet, und betete töricht, daß Deborah dem Scheiterhaufen noch irgend wie entgehen möge.
    Schließlich konnte er nicht länger still sitzen; er nahm den Hörer ab, rief die Vermittlung an und ließ sich mit Aaron verbinden.
    »Das Bild in Amsterdam, Aaron, das Rembrandt gemalt hat – haben Sie das immer noch?«
    »Ja, es ist noch da, Michael, im Mutterhaus in Amsterdam. Ich habe bereits eine Photographie aus dem Archiv bestellt. Es wird nur ein Weilchen dauern.«
    »Aaron, Sie wissen, das ist die dunkelhaarige Frau! Sie wissen, daß sie es ist. Und der Smaragd – das muß der Edelstein sein, den ich gesehen habe. Aaron, ich könnte schwören, ich kenne Deborah. Sie muß diejenige gewesen sein, die zu mir kam, und sie trug den Smaragd am Hals. Und Lasher… Lasher ist das Wort, das ich auf den Lippen hatte, als ich auf dem Boot zu mir kam.«
    »Aber Sie erinnern sich nicht wirklich?«
    »Nein. Aber ich bin trotzdem sicher… und, Aaron…«
    »Michael, versuchen Sie jetzt nicht, es zu interpretieren oder zu analysieren. Lesen Sie weiter. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
    »Ich brauche

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