Hexenstunde
zusammengebracht haben. Und was sie von mir wollen, ist auch gut. Ich muß herausfinden, was es ist, Rowan. Ich muß. Aber ich weiß, es ist gut. So, wie ich weiß, daß auch du gut bist.«
Er hörte sie an seiner Brust seufzen, fühlte, wie ihre warmen Brüste sich gegen ihn hoben. Als sie sich schließlich von ihm löste, geschah es mit großer Zärtlichkeit, und sie drückte noch einen Kuß auf seine Finger, ehe sie losließ.
»Wen kümmert das, verdammt!« flüsterte sie wie in einem Selbstgespräch, aber sie wirkte zerbrechlich und unsicher.
Das staubige Sonnenlicht kroch von der vergitterten Veranda herein und erhellte das bernsteingelbe Wachs auf den alten Bodendielen. Staubkörnchen tanzten in der Luft um sie herum.
»Reden, Reden, Reden«, sagte sie. »Jetzt sind sie am Zug. Du hast getan, was du konntest. Und ich auch. Und jetzt sind wir hier. Sollen sie zu uns kommen.«
»Ja, sollen sie kommen.«
Sie drehte sich nach ihm um, lud ihn wortlos ein, Näher zu kommen, und ihr Blick war flehentlich, beinahe traurig. Für einen Sekundenbruchteil erfüllte ihn Furcht; es war wie ein Schock, und danach fühlte er sich leer.
Seine Liebe zu ihr war so kostbar, und doch hatte er Angst, wirkliche Angst.
»Was sollen wir tun, Michael?« sagte sie. Und plötzlich lächelte sie, und es war ein wunderschönes, warmherziges Lächeln.
Er lachte leise. »Ich weiß es nicht, Honey.« Er zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Weißt du, was ich mir jetzt von dir wünsche?«
»Nein. Aber was es auch ist, du kannst es haben.«
Sie griff nach seiner Hand. »Erzähl mir von diesem Haus«, sagte sie. »Erzähl mir alles, was du über ein solches Haus weißt, und sag mir, ob es wirklich zu retten ist.«
»Honey, es wartet nur darauf. Es wartet. Es ist so solide wie nur irgendeine Burg in Montcleve oder in Donnelaith.«
»Könntest du es machen? Ich meine, mit deinen eigenen Händen…?«
»Mit Freuden würde ich es mit meinen eigenen Händen machen.« Er schaute sie plötzlich an, diese Hände in den eleganten Handschuhen. Wie lange war es her, daß er Hammer und Nägel gehalten hatte oder den Griff einer Säge? Und wann hatte er zuletzt einen Hobel an ein Stück Holz gelegt? Er blickte zu dem bemalten Bogen über ihnen auf, zu dem weitläufigen Schwung der Decke mit ihrer rissigen, abblätternden Farbe. »Oh, wie gern würde ich es tun«, sagte er.
Und er fragte sich, ob sie wirklich ganz und gar verstehen konnte, was es ihm wirklich bedeutete. An einem Haus wie diesem zu arbeiten, war immer sein größter Traum gewesen – aber es war nicht bloß ein Haus wie dieses, es war dieses Haus! Und in Erinnerung reiste er immer weiter zurück, bis er wieder ein kleiner Junge war und draußen vor dem Tor stand, ein kleiner Junge, der in die Bücherei marschierte und die alten Bildbände aus dem Regal zog, in denen dieses Haus zu sehen war, sogar dieses Zimmer und der Flur dort. Nie hätte er sich träumen lassen, daß er diese Räume einmal sehen würde, außer in Büchern.
Und in der Vision hatte die Frau gesagt, daß alles auf diesen einen Moment hinausläuft, in diesem Haus, auf diesen entscheidenden Moment, wenn…
»Michael? Möchtest du es machen?«
Wie durch einen Schleier sah er, daß ihr Gesicht leuchtete wie das eines Kindes. Aber sie schien so weit weg zu sein, so strahlend und glücklich und so weit weg.
Bist du es, Deborah?
»Michael, zieh die Handschuhe aus«, sagte Rowan, und ihr unvermittelt scharfer Ton ließ ihn zusammenschrecken. »Geh wieder an die Arbeit. Sei wieder du. Seit fünfzig Jahren ist niemand in diesem Haus glücklich gewesen, niemand hat in diesem Haus geliebt, niemand gewonnen! Es wird Zeit, daß wir hier lieben und gewinnen, es wird Zeit, daß wir das Haus selbst zurückgewinnen. Ich wußte das, als ich die Akte über die Mayfair-Hexen zu Ende gelesen hatte. Michael, dies ist unser Haus.«
Aber du kannst es ändern … Du darfst nicht einen Augenblick lang glauben, du hättest nicht die Macht dazu, denn die Macht rührt aus…
»Michael, antworte mir.«
Was denn ändern? Laß mich nicht so zurück. Sag’s mir!
Aber sie waren wieder fort, als wären sie nie dagewesen, und hier stand er mit Rowan im Sonnenlicht auf dem warmen, bernsteingelben Fußboden, und sie wartete auf seine Antwort.
Und das Haus wartete, das schöne Haus, unter Schichten von Rost und Schmutz, unter Schatten und verfilzten, wilden Ranken, in Hitze und klammer Kühle. Es
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