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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Kristall, und wieder und wieder hübsche Teller, ganze Stapel, schimmernd im Licht.
    So viele Schätze, dachte Michael, und alles schien nur auf die Berührung des Zauberstabes zu warten, der sie wieder in Einsatz bringen würde.
    »Ich träume von Partys«, sagte Rowan, »von Partys wie in den alten Zeiten, wo sie alle zusammenkommen und die Tische sich unter den Speisen biegen. Und Mayfairs über Mayfairs.«
    Michael betrachtete schweigend ihr Profil. Sie hielt ein zierliches Stielglas in der erhobenen Rechten, so daß es das zarte Sonnenlicht einfing.
    »Es ist alles so anmutig, so verführerisch«, sagte sie. »Ich wußte nicht, daß das Leben so sein kann, wie es hier anscheinend ist. Ich wußte nicht, daß es irgendwo in Amerika solche Häuser gibt. Wie seltsam das alles ist. Ich habe die ganze Welt bereist und war nie an einem Ort wie diesem. Es ist, als ob die Zeit ihn völlig vergessen hätte.«
    Michael mußte lächeln. »Die Dinge ändern sich hier nur sehr langsam«, sagte er. »Gott sei Dank.«
    Sie spazierten zusammen hinaus in die Sonne, streiften um den alten Pool herum und durchstöberten die heruntergekommene Badehütte. »Das ist alles noch solide«, erklärte Michael, während er die Schiebetüren, das Waschbecken und die Dusche untersuchte. »Es läßt sich reparieren. Schau, es ist aus Zypressenholz. Und die Rohrleitungen sind Kupfer. Nichts kann Zypressenholz zerstören. Und die Installationen könnte ich in zwei Tagen repariert haben.«
    Sie kehrten zurück auf die hohe Wiese, wo früher die alten Außengebäude gestanden hatten. Jetzt war davon nur noch ein klägliches Holzhaus am hinteren Rande des Grundstücks übrig.
    »Gar nicht schlecht, überhaupt nicht schlecht«, sagte Michael und spähte durch die verstaubten Fliegengitter. »Wahrscheinlich haben die Diener hier draußen gewohnt; es ist eine Art garçonniere.«
    Hier war die Eiche, auf der Deirdre Zuflucht gesucht hatte; sie ragte sicher fast fünfundzwanzig Meter hoch über ihre Köpfe. Ihr Laub war dunkel und staubig und hart von der Hitze des Sommers. Im Frühjahr würde es in prachtvollem Minzgrün hervorsprießen. Auf sonnigen Flecken schössen dichte Bananenstauden wie monströses Gras in die Höhe. Und an der Rückseite des Geländes zog sich eine lange, wunderschön gebaute Ziegelmauer entlang, überwuchert von Efeu und verfilzten Glyzinien bis hin zu den Angeln des Tores an der Chestnut Street.
    »Die Glyzinie blüht noch«, sagte Michael. »Ich liebe diese purpurnen Blüten – wie gern habe ich sie früher angefaßt, wenn ich hier spazieren ging, um zu sehen, wie die Blütenblätter zitterten.«
    Warum, zum Teufel, kannst du nicht für einen Augenblick die Handschuhe ausziehen, um diese zarten kleinen Blättchen mit deinen Fingern zu befühlen?
    Rowan stand mit geschlossenen Augen da. Lauschte sie auf die Vögel? Er starrte zu dem langen hinteren Flügel des Haupthauses hinüber, zu der Dienstbotenveranda mit dem weißen Holzgeländer und dem weißen Sichtschutzgitter, und der bloße Anblick dieses Spaliergitters beruhigte ihn und machte ihn glücklich. All das waren die bunt zusammengewürfelten Farben und Stoffe seines Zuhauses.
    Zuhause. Als ob er je in einem solchen Haus gelebt hätte. Aber hatte denn ein vorübergehender Betrachter es je mehr geliebt als er? Und in gewisser Weise hatte er immer darin gelebt; es war der Ort, nach dem er sich gesehnt hatte, als er fort gewesen war, der Ort, von dem er geträumt hatte…
    Du kannst dir nicht vorstellen, mit welcher Wucht…
    »Michael?«
    »Was, Honey?« Er küßte sie und roch den köstlichen Duft der Sonne in ihrem Haar. Die Wärme lag wie ein Schimmer auf ihrer Haut. Aber das Geflecht der Visionen war noch nicht verflogen. Er riß die Augen weit auf, so daß das verglühende Nachmittagslicht sie erfüllte, und er ließ sich vom sanften Summen der Insekten beschwichtigen.
    Ein Geflecht von Lügen…
    Rowan ging vor ihm durch das hohe Gras.
    »Hier liegen Steinplatten, Michael.« Ihre Stimme klang so dünn in der offenen Weite. »Lauter Steinplatten. Nur zugewachsen.«
    Er schlenderte ihr nach, zurück in den vorderen Garten. Sie fanden kleine griechische Statuen, Zementsatyrn, wunderschön verwittert, die mit blinden Augen unter Buchsbaumgewucher hervorspähten. Eine Marmornymphe stand verloren zwischen den dunkel wächsernen Blättern der Kamelien, und winzige gelbe Lantana blühte hübsch, wo die Sonne hinschien.
    »Die Ranke dort drüben heißt Königinnenkranz oder

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