Hexenstunde
habe eine echte Chance mit dir. Was gibt’s da zu weinen? Das wüßte ich gern.«
Sie funkelte ihn an; offenbar brodelte es in ihr – Ärger und innere Konflikte. Ihre grauen Augen blitzten im Zwielicht.
»Du wirst gleich mich zum Weinen bringen, Rowan, wenn du nicht aufhörst.«
Sie lachte wider Willen. Ihr Gesichtsausdruck wurde wunderschön mild, und ihr Mund verzog sich unwillkürlich zu einem Lächeln.
»Also schön«, sagte sie. »Aber noch etwas könnte mich zum Weinen bringen. Ich sollte es dir sagen, um wirklich vollkommen ehrlich zu sein. Nämlich… ich würde weinen, wenn ich dich verlöre.«
»Gut«, flüsterte er, und er küßte sie schnell, bevor sie ihn davon abhalten konnte. Aber dann bedeutete sie ihm mit einer kleinen Handbewegung, sich zurückzulehnen, ernst zu bleiben und zuzuhören. Er nickte achselzuckend.
»Sag mir – was willst du tun? Ich meine, was willst du tun? Ich rede nicht davon, was diese Wesen von dir wollen könnten. Was steckt jetzt in dir?«
»Ich will hierbleiben«, sagte er. »Ich wünschte, beim Teufel, ich wäre nicht so lange weggeblieben. Ich weiß nicht, warum ich es getan habe.«
»Okay, jetzt redest du«, sagte sie. »Jetzt redest du von etwas Realem.« Sie lächelte, und das Licht schimmerte auf der Kurve ihrer Wange und in ihrem Mundwinkel.
»Weißt du«, sagte er, »ich denke immer: Ich bin zu Hause. Ich bin zu Hause. Und was auch immer aus dem ganzen Rest werden mag, ich will nicht mehr weg von Zuhause.«
»Zum Teufel mit ihnen, Michael«, sagte sie. »Zum Teufel mit ihnen, wer sie auch sein mögen – bis sie uns Grund geben, die Sache anders zu sehen.«
Wie geheimnisvoll sie war: eine verwirrende Mischung aus Schärfe und Sanftheit. Vielleicht war es sein Fehler gewesen, daß er bei Frauen immer Stärke mit Kälte verwechselt hatte. Aber vielleicht taten das die meisten Männer.
»Sie werden noch einmal zu uns kommen«, meinte sie. »Sie müssen. Und wenn sie kommen, dann werden wir nach denken und entscheiden, was wir tun wollen.«
»Ja, so ist es«, sagte er. Was wäre, wenn er jetzt die Handschuhe auszöge? Würden sie dann zu ihm kommen?
»Aber wir werden nicht mit angehaltenem Atem darauf warten.«
»Nein.» Er lachte leise.
Dann verstummte er, voller Erregung und doch auch voller Sorge, obwohl jedes ihrer Worte ihn froh gemacht und ihm das Gefühl gegeben hatte, daß seine bange Beklommenheit jeden Augenblick verfliegen würde.
Unversehens schaute er hinüber zu dem Spiegel am anderen Ende des Zimmers, und dort sah er ihr winziges Abbild und die Wiederholung der Kronleuchter, gefangen in zwei Spiegeln, eine endlose Marschreihe, die verschwommen in silbrigem Licht in der Ewigkeit mündete.
»Gefällt es dir, mich zu lieben?« fragte sie.
»Was?«
»Tust du es gern?« Zum erstenmal war ein unüberhörbares Zittern in ihrer Stimme.
»Ja, natürlich. Aber es macht mir auch angst, denn du bist anders als alle, die ich je gekannt habe. Du bist so stark.«
»Ja, das bin ich«, sagte sie gepreßt. »Denn ich könnte dich jetzt auf der Stelle umbringen, wenn ich wollte. All deine männliche Kraft würde dir nichts nützen.«
»Nein, das meine ich nicht«, sagte er. Er drehte sich um und sah sie an, und einen Augenblick lang sah ihr überschattetes Gesicht unsagbar kalt und verschlagen aus, die Lider halb geschlossen, die Augen funkelnd. Sie sah bösartig aus – wie schon einmal vor gar nicht so langer Zeit im Haus in Tiburon, in dem kalten Licht, das durch die Glaswand in den dunklen Raum gefallen war.
Langsam richtete sie sich auf, und ihre Kleider raschelten leise; unwillkürlich, ja instinktiv wich er vor ihr zurück, und die Haare sträubten sich ihm. Es war jene stahlharte Wachsamkeit, die einen überkommt, wenn man eine Handbreit vor seinem Schuh eine Schlange im Gras sieht, oder wenn man merkt, daß der Mann auf dem Barhocker neben einem sich umdreht und ein Stilett aufschnappen läßt.
»Was, zum Teufel, ist los mit dir?« wisperte er.
Aber dann sah er es. Er sah, daß sie zitterte und daß ihre leichenblassen Wangen fleckig rot waren; ihre Hände wollten sich nach ihm ausstrecken und wichen dann zurück, und sie schaute sie an und verschränkte sie ineinander, als wolle sie damit etwas Unausprechliches im Bann halten. »Gott, ich habe Karen Garfield nicht mal gehaßt!« flüsterte sie. »Wirklich nicht. So wahr mir Gott helfe, ich…«
Verzweifelt drängte sie ihn, ihr zu helfen, aber er wußte nicht, was er tun sollte. Sie
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