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Hexenstunde

Hexenstunde

Titel: Hexenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dagewesen. Zu Hause hätte sie dann die Nachricht erwartet, daß er die Sachen abholen sollte.
    Sie sagte ihm, wie sehr sie seine Hilfe zu schätzen wisse und wie gern sie die ganze Familie kennenlernen würde. Er nickte.
    »Es war nett von deinen beiden Freunden, vorbeizukommen«, sagte er.
    »Meine Freunde? Wo vorbeizukommen?«
    »Heute morgen auf dem Friedhof. Mr. Lightner und Mr. Curry.«
    »Oh, natürlich. Ich… ich hätte eigentlich selbst da sein sollen.«
    »Nicht so wichtig. Sie wollte keinen Aufwand, und offengesagt…«
    Einen Moment lang stand er stumm auf dem Plattenweg, schaute zum Haus hinauf und wollte etwas sagen, brachte es aber offensichtlich nicht über sich.
    »Hast du vor, drin zu wohnen?« fragte er plötzlich.
    »Ich will es restaurieren, ihm seine alte Pracht zurückgeben. Mein Mann… der Mann, den ich heiraten werde, ist Experte für alte Häuser, und er sagt, es ist absolut solide. Er brennt darauf, anzufangen.«
    Noch immer stand er stumm in der dampfenden Luft; sein Gesicht glänzte ein wenig, und seine Miene war erwartungsvoll und zögernd zugleich. »Weißt du«, sagte er schließlich, »es hat so viele Tragödien gesehen. Das hat Tante Carlotta immer gesagt.«
    »Die Morgenzeitung sagt es ebenfalls«, erwiderte sie lächelnd. »Aber es hat auch viel Glück erlebt, nicht wahr? Jahrzehntelang, in alten Zeiten. Ich will, daß es dieses Glück wiedersieht.«
    Sie wartete geduldig und fragte schließlich: »Was willst du mir in Wirklichkeit sagen?«
    Sein Blick wanderte über ihr Gesicht, und dann wandte er sich mit leisem Schulterzucken und einem Seufzer wieder dem Haus zu.
    »Ich glaube, ich sollte dir sagen, daß Carlotta… Carlotta wollte, daß ich das Haus nach ihrem Tod niederbrenne.«
    »Im Ernst?«
    »Ich hatte nie vor, es zu tun. Ich hab’s Ryan und Lauren erzählt. Ich hab’s meinen Eltern erzählt. Aber ich dachte, ich sollte es dir auch erzählen. Sie war unerbittlich. Sie hat mir sogar vorgeschrieben, wie ich es machen sollte. Ich sollte unterm Dach anfangen, mit einer Öllampe, die da oben steht; dann sollte ich in den ersten Stock hinuntergehen und dort die Vorhänge in Brand setzen, und schließlich sollte ich das Erdgeschoß anzünden. Ich mußte es ihr versprechen. Sie hat mir einen Schlüssel gegeben.«
    Er reichte Rowan einen Schlüssel.
    »In Wirklichkeit braucht man ihn nicht«, erklärte er. »Die Haustür war seit fünfzig Jahren nicht mehr abgeschlossen, aber sie hatte Angst, daß es jemand tun könnte. Sie wußte, sie würde nicht sterben, solange Deirdre lebte, und das waren ihre Anweisungen.«
    »Wann hat sie es dir aufgetragen?«
    »Oft. Das letztemal vor einer Woche, höchstens. Unmittelbar vor Deirdres Tod… als sie erkannt hatten, daß sie sterben würde. Spät abends rief sie mich noch an und erinnerte mich daran. ›Du mußt alles verbrennen‹, hat sie gesagt.«
    Er nickte, und sein Blick wanderte wieder zum Haus hinüber.
    »Ich wollte nur, daß du es weißt«, sagte er. »Ich fand, du solltest es wissen.«
    »Und was kannst du mir sonst noch erzählen?«
    »Was sonst noch?« Er zuckte die Achseln. Dann sah er sie an, und obwohl er sich lieber abgewandt hätte, tat er es nicht. Sein Blick war direkt. »Sei vorsichtig«, sagte er. »Sei sehr vorsichtig. Es ist alt, und es ist dunkel, und es ist… es ist vielleicht nicht das, was es zu sein scheint.«
    »Inwiefern?«
    »Es ist überhaupt keine großartige Villa. Es ist eine Art Domizil für irgend etwas. Es ist eine Falle, könnte man sagen. Es besteht aus allen möglichen Formen. Und die Formen bilden zusammen eine Art Falle.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was ich da rede. Ich schwatze einfach so daher. Es ist bloß… na ja, wir alle haben ein kleines Talent dafür, Dinge zu spüren…«
    »Ich weiß.«
    »Und, na, ich schätze, ich wollte dich warnen. Du weißt ja nichts über uns.«
    »Hat Carlotta das von den Formen gesagt? Daß es eine Falle ist?«
    »Nein, es ist nur meine eigene Meinung. Ich war öfter hier als die ändern. Ich war der einzige, den Carlotta in den letzten Jahren noch empfangen hat. Sie mochte mich. Ich weiß nicht genau, warum. Manchmal war ich nur aus Neugier hier – obwohl ich auch loyal gegen sie sein wollte, wirklich. Es hat wie eine Wolke über meinem Leben geschwebt.«
    »Du bist froh, daß es vorbei ist.«
    »Ja, das stimmt. Es ist furchtbar, so was zu sagen, aber sie wollte auch nicht länger leben. Das hat sie gesagt. Sie war müde. Sie wollte

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