Hexenstunde
wirst das Image des Hauses verändern.« Als Michael an ihrer Seite erschien, sah Rowan, daß Aaron am Tor stand. Er unterhielt sich ausgerechnet mit Gifford und mit Beatrice. Gifford wirkte wieder völlig ruhig.
»Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen«, sagte Aaron eben zu Gifford mit seinem verführerischen britischen Akzent.
Gifford warf ihm unvermittelt die Arme um den Hals. Freundlich erwiderte er ihre Umarmung und küßte ihre Hand, als sie sich von ihm löste. Beatrice war kaum weniger überschwenglich. Dann traten beide zurück, als Aarons schwere schwarze Limousine an den Straßenrand gerollt kam.
»Mach dir keine Sorgen, Rowan«, sagte Beatrice fröhlich. »Morgen mittag zum Lunch – nicht vergessen. Und es wird die schönste Hochzeit der Welt!«
Rowan lächelte. »Keine Sorge, Bea.«
Rowan und Michael schoben sich auf den breiten Rücksitz, und Aaron nahm seinen Lieblingsplatz ein, mit dem Rücken zum Fahrer gewandt. Langsam setzte der Wagen sich in Bewegung.
Den Schwall der eisigen Luft empfand Rowan wie einen Segen. Die drückende Schwüle und die Atmosphäre des dämmrigen Gartens klebten immer noch an ihr. Sie schloß für einen Moment die Augen und atmete tief durch.
Als sie zum Fenster hinausschaute, sah sie, daß sie auf der Metairie Road fuhren, vorbei an den neueren Friedhöfen der Stadt, die durch das dunkel getönte Glas düster und unromantisch aussahen. Durch die getönten Scheiben eines Autos sah die Welt immer so gespenstisch aus, dachte sie. Die schlimmste Form von Finsternis. Plötzlich ging es ihr auf die Nerven.
Sie wandte sich Michael zu, und als sie schon wieder diesen schrecklichen Ausdruck in seinem Gesicht sah, empfand sie leise Ungeduld.
»Es hat sich nichts geändert«, sagte sie. »Früher oder später wird er kommen, er wird mit mir ringen um das, was er will, und er wird verlieren. Wir haben lediglich weitere Informationen über die Zahl und die Tür bekommen, und das wollten wir ja auch.«
Michael antwortete nicht.
»Es hat sich nichts geändert«, beharrte sie. »Überhaupt nichts.«
Michael antwortete immer noch nicht.
»Brüte nicht darüber«, sagte Rowan in scharfem Ton. »Du kannst sicher sein, daß ich niemals einen Kreis von dreizehn Hexen versammeln werde. Ich habe sehr viel wichtigere Dinge zu tun. Und ich hatte nicht die Absicht, vorhin irgend jemanden zu ängstigen. Ich glaube, ich habe das Falsche gesagt. Ich glaube, ich habe die falschen Worte benutzt.«
»Sie haben es mißverstanden«, sagte Michael fast murmelnd. Er starrte Aaron an, der sie beide mit ungerührtem Blick betrachtete. An Michaels Stimme merkte sie, daß er äußerst erregt war.
»Wie meinst du das?«
»Niemand muß dreizehn Hexen versammeln«, sagte Michael. In seinen blauen Augen blinkte das Licht der vorüberfahrenden Autos, als er sie jetzt anschaute. »Darum geht es in dem Rätsel nicht. Sie haben es mißverstanden, weil sie ihre eigene Geschichte nicht kennen.«
»Wovon redest du da?«
Sie hatte ihn nicht mehr in so banger Erregung gesehen, seit er auf dem Dachboden die Gläser zerschlagen hatte. Sie wußte, wenn sie jetzt sein Handgelenk erfaßte, würde sie wieder einen rasenden Puls fühlen. Es war ihr ein Greuel. Sie sah, wie das Blut in sein Gesicht gepumpt wurde.
»Michael, um Himmels willen!«
»Rowan, zähl nach. Zähl deine Vorfahrinnen! Dieses Wesen hat auf dreizehn Hexen gewartet, von der Zeit Suzannes bis in die Gegenwart, und du bist die dreizehnte. Zähle sie. Suzanne, Deborah und Charlotte. Jeanne Louise, Angelique, Marie Claudette. In Louisiana folgen Marguerite, Katherine und Mary Beth. Dann kommen Stella, Antha und Deirdre. Und schließlich du, Rowan! Die dreizehnte ist einfach die stärkte, Rowan, die einzige, die imstande ist, die Tür zu sein, durch die das Wesen kommen kann. Du bist die Tür, Rowan. Darum gibt es zwölf Grabkammern in der Gruft, nicht dreizehn. Die dreizehnte ist die Tür.«
»Also schön«, sagte sie, mühsam um Geduld bemüht. Sie hob die Hände in einer sanft beschwörenden Geste. »Aber wir sind gewappnet, nicht wahr? Der Teufel sieht weit, wie er dir gesagt hat; er sieht die Dreizehn. Aber der Teufel sieht nicht alles. Er sieht nicht, wer ich bin.«
»Nein, das waren nicht seine Worte«, widersprach Michael. »Er sagt, er sieht bis zum Ende! Und er hat außerdem gesagt, ich könnte dich nicht aufhalten, und ich könnte ihn nicht aufhalten. Er hat gesagt, seine Geduld sei wie die Geduld des
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