Hexensturm
dann hastig.
Chase lachte bellend. »Schon gut, Yugi. Ich bin froh, dass meine Leute mich vermissen, wenn ich weg bin. Ist mir lieber, als wenn ihr hinter meinem Rücken über mich herziehen würdet.« Er rieb sich die Augen. Kleine Fünkchen glommen in dem Dunkelbraun. Er kam zu mir und hob mit ernster Miene mein Kinn an. »Camille, ich kann dir nicht genug dafür danken, dass du zurückgekommen bist, um mich zu retten. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Ich dachte, wenn ich da wieder rauskomme – also, falls –, bist du bis dahin vielleicht …« Er verstummte, als wären ihm die Worte auf der Zunge gefroren.
»Tot?«, flüsterte ich. »Ja, das dachte ich auch.«
»Unser aller Leben hat ein paar interessante Wendungen genommen, nicht?« Er räusperte sich, und als ihm bewusst wurde, dass alle uns anstarrten, trat er zurück.
Ich wandte mich an Yugi. »Wie lautet Sharahs Nachricht?«
»Alle sind in den Hügel umgezogen außer Menolly. Sie wird nachkommen, sobald die Sonne untergegangen ist. Aber bei euch zu Hause wartet jemand, der dich sprechen will. Du musst erst dort vorbeischauen, ehe du zu Smokys Bau weiterfährst.« Er wandte sich Chase zu. »Und falls sie dich finden, hat sie gesagt … dass du sie bitte anrufen möchtest, sobald es geht.« Er reichte dem Detective ein Handy.
Ich nahm meines ebenfalls entgegen und klappte es auf. Zu Hause nahm Iris ab. »Was machst du denn noch daheim? Ist jemand bei dir? Du willst wahrscheinlich warten, bis Menolly aufwacht, aber …«
»Sharah ist draußen im Hügel, mit Morio. Ich bin in Menollys Keller. Keine Sorge, hier bin ich ziemlich sicher. Aber oben wartet jemand auf dich, der mit dir sprechen will. Er wollte, dass ich niemandem etwas sage, aber Camille, ihr seid meine Familie. Er … na ja … Ich weiß nicht, ob er das noch ist oder nicht.«
»Wer denn?« Allmählich hatte ich die Nase voll von Wartespielchen und Geheimnissen. Ich wollte einfach nur noch Informationen haben, und zwar alle, offen auf dem Tisch.
»Dein Vater. Sephreh ob Tanu. Er sitzt oben im Wohnzimmer und wartet auf dich, und bevor du fragst, ich habe keine Ahnung, was er will. Er ist einfach hier aufgetaucht und wollte dich sprechen. Ich habe ihm gesagt, dass er draußen am Hügel auf dich warten soll, aber er hat sich geweigert.« Iris schnalzte missbilligend mit der Zunge und schnaubte dann. »Ein Sturkopf. Ihr zwei seid euch sehr ähnlich.«
»Von wegen. Er hat mich verstoßen. Ich habe ihm nichts zu sagen.« Doch dann zögerte ich. Was er wohl wollte? Hatte er endlich Tanaquars Gier nach Macht und Kontrolle durchschaut? Oder ging es um etwas Banaleres? »Na gut, ich komme auf dem Rückweg vorbei. Aber ich mache mir keine großen Hoffnungen. Und wag es ja nicht, ihm Tee oder sonst was anzubieten – nicht, bis ich weiß, was er will.«
Ich klappte mein Handy zu und blickte zu Delilah auf. »Vater ist bei uns im Haus. Er will mich sprechen.« Als Freude in ihren Augen aufleuchtete, hob ich die Hand. »Ich traue dieser versöhnlichen Geste nicht. Vielleicht will er ja nur meine restlichen Sachen abliefern. Wer weiß, was ihn hergeführt hat. Ich mache mir jedenfalls keine großen Hoffnungen, denn das Letzte, was ich brauchen kann, ist noch ein Arschloch, das mich fertigmachen will. Emotional oder sonst wie.«
Sie nickte und hielt klugerweise den Mund. Wir zwängten uns in die Autos und machten uns auf den Heimweg. Während die winterlichen Straßen an mir vorbeizogen, scheuerte Hytos Halsband an meiner Haut. Ich verabscheute dieses Gefühl, dass er mich spüren konnte – von überall her – und nur darauf wartete, in meine Welt einzufallen und sie zu zerstören.
Kapitel 18
A ls das Haus in Sicht kam, begann mein Herz zu stampfen wie eine Lokomotive, die Fahrt aufnahm. Mein Vater hatte mich um die Tagundnachtgleiche verstoßen. Er hatte sich von mir losgesagt, alle Verbindungen gekappt. Aus Protest gegen meine Entlassung aus dem AND – dem Anderwelt-Nachrichtendienst – hatten auch meine Schwestern den Dienst quittiert.
Beim Aussteigen fiel mein Blick auf den Pfad, der zum Birkensee führte, und ich sah, dass Smoky tatsächlich mehr als ein bisschen wütend gewesen war. Am Waldrand waren Bäume ausgerissen und herumgeschleudert worden wie Stöckchen, mit denen ein Hund gespielt hatte. Hier und da war der Boden schwarz verkohlt. Ich schluckte schwer und verdrängte die Erinnerung an den Augenblick, in dem ich erkannt hatte, dass ich Hyto und nicht Smoky
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