Hexensturm
faltete den Brief zusammen und steckte ihn in meine Handtasche. Dann stopfte ich noch ein paar Kleidungsstücke in einen Rucksack. Schließlich hielt ich inne und klappte mein Schmuckkästchen auf. Da lagen meine drei Eheringe. Normalerweise trug ich sie nicht, weil ich Angst hatte, sie zu verlieren, aber im Moment wollte ich sie unbedingt an meinen Fingern haben. Also steckte ich sie mir an – zwei an der linken Hand, den dritten rechts.
»Bist du so weit?« Delilah schob den Kopf durch den Türspalt. Ich nickte, warf mir den Rucksack über eine Schulter und folgte ihr die Treppe hinunter. Ich hätte gern gewusst, ob Vater schon gegangen war, wollte aber nicht danach fragen.
»Er ist weg«, sagte sie leise, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Sie kannte mich eben gut genug. Ein Blick aus dem Fenster zeigte mir, dass die Sonne bald untergehen würde. Obwohl ich mich nach der Geborgenheit von Smokys Bau sehnte, dirigierte ich Delilah erst in die Küche und legte meinen Rucksack auf dem Tisch ab.
»Essen wir noch einen Happen, ehe wir losfahren. Wir können auf Menolly warten. Wenn sie bei uns ist, fühle ich mich gleich noch mal sicherer.«
Iris kam auf mich zugelaufen, schlang die Arme um mich und drückte mich fest an sich. »Ich bin ja so froh, dass du in Sicherheit bist. Den Göttern sei Dank, dass du wieder bei uns bist.«
Wir ließen uns am Tisch nieder, und sie stellte ein ganzes Tablett voll Sandwiches vor uns hin. »Esst, esst. Ich wärme auch die Suppe auf – dauert nur einen Moment.«
Hungrig und fix und fertig – dieser Tag hatte meinen Blutergüssen und Prellungen gar nicht gutgetan – biss ich in ein Roastbeef-Sandwich und kaute gründlich. Mein Bustier scheuerte im Rücken, und ich warf einen Blick über die Schulter. »Solange wir warten, könntest du vielleicht etwas gegen die Schmerzen auf meinen Rücken auftragen? Sharah hat mich heute schon damit behandelt, aber die Wirkung hat nachgelassen.«
Ich löste die Haken und Ösen auf der Vorderseite des Bustiers, und Delilah trat hinter mich, um mir beim Ausziehen zu helfen. Ich verzog das Gesicht, als sich der Stoff von den Wunden auf meinem Rücken schälte. Das steife Mieder tat meinen Rippen gut, aber die Peitschenspuren taten damit höllisch weh. Delilah stieß einen erstickten Laut aus, während Iris mit einem Salbentiegel angelaufen kam. Ich drehte mich um und sah, dass beiden die Tränen in den Augen standen.
In diesem Moment öffnete sich die Geheimtür hinter dem Bücherregal – inzwischen eher ein Witz, denn fast alle in unserem erweiterten Haushalt waren dahintergekommen, wo der Eingang zu Menollys Versteck lag. Menolly blieb stehen. Sie öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, und schloss ihn wieder. Dann kam sie zu mir herüber, schob Delilah beiseite und zog mich zum Stehen hoch.
»Was er dir angetan hat …« Ihre Stimme war leise, aber ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass eine leise Menolly eine gefährliche Menolly war. Ich setzte mich wieder hin, und sie kniete sich neben mich und nahm meine Hand. »Hat er … Brauche ich das überhaupt zu fragen?«
»Ja, hat er.« Ich blickte auf sie hinab. »Du hast mir Mut gemacht. Du warst meine Inspiration. Ich habe mich daran erinnert, was Dredge dir angetan hat, und immer wieder gedacht: Wenn Menolly das überstanden hat … kann ich das auch überstehen. Wenn sie die Folter überlebt hat, die sie durchmachen musste, werde ich mit ein paar Prügeln und Tritten fertig. Oder einer Vergewaltigung. «
Menolly fauchte und strich mit den Fingerspitzen über die Striemen auf meinem Rücken und die Blutergüsse auf meinen Rippen. »Er wird sterben. Dafür wird Hyto sterben. Keiner von uns wird ruhen, ehe er erledigt ist. Du hast mir geholfen, mich an Dredge zu rächen. Ich weiche nicht mehr von deiner Seite, bis Hyto stirbt.«
Delilah kniete sich auf meine andere Seite. »Das gilt auch für mich. Nichts kann unser Band besiegen. Nichts ist stärker als unsere Verbindung.«
Iris hatte uns genau beobachtet. Nun scheuchte sie die beiden beiseite. »Lasst mich nach ihren Wunden sehen. Sharah ist gut, aber ich habe viel mehr Erfahrung.« Während sie langsam ihre Salbe auf die Prellungen strich, ließ der Schmerz allmählich nach. »Das Halsband …«
»Lässt sich nicht abnehmen, solange er lebt«, erklärte ich tonlos. »Jetzt kann ich nachfühlen, wie es Vanzir ging – in gewissem Maße. Er hat sich der Seelenfessel freiwillig unterworfen. Ich nicht. Aber
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