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Hexensturm

Hexensturm

Titel: Hexensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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Nacken. »Es fühlt sich an, als würden Ameisen auf mir herumkrabbeln.«
    »Das ist Magie«, sagte ich leise. »Komm mit. Du gewöhnst dich bald daran, dann bemerkst du sie kaum noch.«
    Wir stiegen aus dem Wagen, und ich schloss ihn ab. Lieber kein Risiko eingehen – das Volk unseres Vaters war im Allgemeinen wenig vertrauenswürdig, es sei denn, jemand hatte sein Ehrenwort gegeben. Und selbst dann war ich noch vorsichtig.
    »Da drüben.« Ich deutete auf die Stallungen, wo wir uns einen Pferdewagen leihen konnten. Bis zu den Palasthügeln würde ich ganz sicher nicht zu Fuß gehen. Ich war noch müde von der Reise mit Iris und hatte das Gefühl, dass mir nie wieder warm werden würde. Im Vergleich zu den Nordlanden war dieser Schneesturm hier allerdings eine milde Frühlingsbrise.
    Die Frau, die den Mietstall betreute, musterte uns von oben bis unten und lächelte dann. »Willkommen, Schwestern aus der Anderwelt. Ihr braucht einen Wagen?« Ihre Worte klangen abgehackt, und mir wurde klar, dass sie es nicht gewöhnt war, Englisch zu sprechen. Sie musste erst kürzlich aus den Wäldern gekommen sein.
    Es gab immer noch genug wilde Landstriche, so dass einige Feen noch kaum Berührung mit der menschlichen Gesellschaft gehabt hatten. Doch solche Gegenden wurden immer seltener, und ich fürchtete, dass es recht bald zu Auseinandersetzungen um Land zwischen den VBMs und den Erdwelt-Feen kommen könnte.
    Andy Gambit, Skandalreporter des Seattle Tattler, gab sich die größte Mühe, unser Leben in der Klatschpresse auszuschlachten, denn er fürchtete diejenigen von uns, die aus der Anderwelt stammten. In Wahrheit hätte er besser daran getan, zuerst unter sein eigenes Sofa zu schauen. Wir stellten eine weitaus geringere Bedrohung dar als die Erdwelt-Feen, die der Rodung von Wäldern und der zunehmenden Zersiedelung der Landschaft seit hundertfünfzig Jahren entsetzt, aber still zusahen.
    »Danke.« Ich nahm die Zügel des Pferdes entgegen, das vor einen Wagen mit zwei Sitzplätzen und Verdeck gespannt war. Als Delilah und ich uns darin niederließen, fiel mir auf, dass der Einspänner uns zwar vor dem schlimmsten Schnee schützen würde, aber nicht vor der Kälte. Na herrlich.
    »Weißt du noch, wie man damit fährt?« Delilah warf einen Blick auf mich, dann auf das Pferd. »Ist schon eine ganze Weile her.«
    »So lange nun auch wieder nicht.« Ich nahm die Leinen auf. Um ehrlich zu sein, waren schon über zwei Jahre vergangen, seit ich zuletzt die Leinen einer Kutsche in der Hand gehabt hatte, aber zu Hause in der Anderwelt war ich früher sehr viel gefahren. Nach einem kleinen Fehlstart, bei dem mein Fuß nach einem nicht vorhandenen Gaspedal tastete, brachte das Leder in meinen Händen die Erinnerung zurück, und ich hielt die Leinen ruhig fest und schnalzte dem Pferd zu.
    Vier Quadratkilometer sind ein erstaunlich großes Gebiet, wenn man friert und es einem den Schnee ins Gesicht weht. Ich blinzelte gegen die Flocken an, die auf meinen Wimpern landeten, dankbar für wasserfeste Mascara, während ich das Pferd auf der Mitte der gepflasterten Straße hielt. Die Steine waren mit festgetretenem Schnee und Eis bedeckt, und mehr als einmal war ich tatsächlich froh darüber, in einer Kutsche und nicht im Auto zu sitzen. Die Dreifaltige Drangsal schien etwas gegen Schneepflüge zu haben, und das Pferd stapfte durch eine über zwanzig Zentimeter hohe, weiße Schicht. Hier oben im Vorgebirge der Cascades schneite es öfter und reichlicher als im Tiefland und in den Städten am Meer.
    Sehen konnte ich inzwischen nur noch dank des silbrig finsteren Himmels und des Lichts, das hier und da aus den Hügelhäusern fiel, in denen die Erdwelt-Feen wohnten – diejenigen, die als Bürger von Talamh Lonrach Oll aufgenommen worden waren.
    Die Liste der Bürger war allerdings viel länger als die der tatsächlichen Bewohner. Bisher. Was die Regierung dazu sagen würde, wenn klar wurde, wie viele Feen es tatsächlich gab, blieb abzuwarten. Dass sie nicht die einzigen intelligenten Lebewesen auf dem Planeten waren, hatten die VBM zwar akzeptiert – einige widerstrebender als andere. Aber ich hegte den Verdacht, dass sie sich nicht sehr wohl fühlen würden, wenn sie feststellten, wie viele Feen es tatsächlich in ihrer Welt gab. Oder Vampire. Und Werwesen. Und Kryptos, wenn wir schon dabei waren. Die Märchen waren ihren Büchern entkommen und Wirklichkeit geworden. Die Ungeheuer krochen unter den Betten hervor, und wir gehörten auch

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