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Hexensturm

Hexensturm

Titel: Hexensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmine Galenorn
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Zum Schluss glätteten wir unsere kleine Wand, um sie als Schneewehe zu tarnen. Vom Himmel aus würden wir immer noch zu sehen sein, aber dagegen konnten wir kaum etwas tun. In unseren weißen Umhängen würde Hyto uns in der Dunkelheit hoffentlich trotzdem nicht entdecken.
    Wir gingen um den nächsten Felsen herum, um uns zu erleichtern, während die jeweils andere Wache hielt. Dann breiteten wir unsere Umhänge in unserem kleinen Fort aus und kuschelten uns dazwischen zusammen, um so viel Wärme wie möglich zu erzeugen. Ein Feuer konnten wir nicht riskieren, aber die Schneemauer schützte uns einigermaßen vor dem Wind, und wir lagen Nase an Nase da, so dass unser Atem unsere Gesichter wärmte.
    Richtig schlafen konnten wir trotzdem nicht, und keiner von uns war nach Reden zumute, also dösten wir vor uns hin und lauschten dem Geheul von Wölfen in der Ferne. Kurz nachdem der Mond aufgegangen war, wachte ich auf, weil ich spürte, dass irgendetwas los war. Vorsichtig spähte ich über die Schneewand die Bergflanke hinauf zu Hytos Höhle.
    Feuer. Dicht unter dem Gipfel brannte es. Ich konnte vage erkennen, wo – Funken stoben in der Nähe des Höhleneingangs in den Himmel. Hyto war zurückgekehrt und hatte bemerkt, dass wir verschwunden waren.
    Ich weckte Hanna, und wir verkrochen uns so tief wie möglich in den Schatten der Felsen. Mit einem flauen Gefühl im Magen sahen wir dem Feuerwerk dort oben zu. Ich versuchte, nicht daran zu denken, was passieren könnte, wenn er uns fand. Ein dumpfes Grollen ertönte, und wir hörten eine kleine Lawine den Berg herunterdonnern. Ich tastete im Geiste nach der Bewegung und spürte, dass sie nicht in unsere Richtung kam, also blieben wir in unserem Versteck. Hyto musste sie in seiner Wut ausgelöst haben.
    Ein weiterer Feuerstoß, und die Bäume ganz oben gingen in Flammen auf. Ein lautes Brüllen donnerte durch die Nacht – diesmal war es keine Lawine, sondern Hyto. Es hallte den Berg hinab bis zu uns, und ich musste mich mit aller Gewalt zusammenreißen, um nicht vor Angst zu schreien. Tränen liefen mir über die Wangen und gefroren auf meinem Gesicht. Hanna sah, wie meine Schultern zuckten, sie zog mich an sich, und ich barg das Gesicht an ihrer Schulter.
    Die ganze Nacht lang klammerten wir uns aneinander fest und fanden keinen Schlaf, denn die Vorstellung ging weiter. Vor dem Morgengrauen neigte sie sich dicht an mein Ohr und flüsterte: »Wir sollten gehen. Jetzt gleich, ehe der Morgen graut. Vielleicht schaffen wir es im Nebel über den Gletscher … wenn wir warten, bis er sich lichtet, wird Hyto uns entdecken.«
    Ich nickte und starrte auf die nächtliche Eisfläche hinaus. Der Nebel war dicht. Sich darin zu bewegen, war gefährlich, aber uns blieb nichts anderes übrig. Mir wurde übel, als Hanna mir ein weiteres Stück Brot und etwas Trockenfleisch in die Hand drückte, aber ich wusste, dass wir die Energie brauchen würden. Also aß ich, kaute, ohne etwas zu schmecken, und schluckte mühsam.
    »Glaubst du, er kann mich mit Hilfe dieses Dings finden?« Ich zupfte an dem verdammten Halsband herum.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Hanna. »Aber ich will es nicht riskieren, das Ding aufzuschneiden – wer weiß, ob dich dann vielleicht irgendein Zauber tötet.«
    Als wir aufgegessen hatten, packten wir unsere Rucksäcke und machten uns auf den Weg. Vorsichtig schoben wir uns über die Mauer unseres kleinen Forts und huschten geduckt über die verschneite Geröllhalde, von Felsen zu Felsen.
    Die Steine waren scharfkantig und gefährlich, und mehr als einmal wäre ich beinahe umgeknickt und konnte mich gerade noch abfangen. Der Nebel stieg in dichten Schwaden auf wie gespenstische Wächter, und hin und wieder hörte ich ein Schnüffeln oder eine Bewegung darin. Aber wir konnten nicht anhalten, um herauszufinden, was das war. Wir mussten Wolfslieds Höhle erreichen, ehe Hyto auf die Idee kam, mal dort vorbeizufliegen.
    Die Bäume weiter oben an der Bergflanke brannten lichterloh, obwohl inzwischen frischer Schnee fiel, und ich biss mir auf die Lippe. Der Verlust dieser Wälder weckte eine hohle Traurigkeit in mir. Hyto scherte sich einen Dreck um das Land, um all die Geschöpfe, die vielleicht unter diesen Bäumen lebten. Ihn beschäftigte nur seine Wut.
    Nach einer Stunde legten wir eine kurze Rast ein. Der Nebel begann sich zu lichten, dafür schneite es immer heftiger. Keuchend blieb ich stehen und versuchte abzuschätzen, wie weit es noch zu Wolfslieds Höhle

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