Hexentochter
sehen«, fügte Armand hinzu.
»Schenk uns Weisheit, auf dass wir erkennen, was zu tun ist«, sagte Alonzo.
»Schenk uns Mut, auf dass wir entschlossen handeln«, fuhr Pablo fort.
»Schenk uns Kraft, auf dass wir siegen werden«, schloss José Luis.
Alonzo und José Luis, die neben Nicole saßen, ließen ihre Hände los. Sie öffnete die Augen und sah zu, wie Alonzo einen langen, krummen weißen Zweig aufhob, der oben auf dem Feuer gelegen hatte. Sie schnappte nach Luft, als das glühende Holz zischend seine Handfläche verbrannte. Er hielt sich den Zweig vor die Brust, neigte den Kopf darüber und kniff fest die Augen zu.
Nicole beobachtete, wie der Muskel an seinem linken Kiefer zuckte. Schließlich blickte er auf, und seine Augen glänzten. »Ich sehe großes Unheil, das die Hand nach Europa ausstreckt. Seine Finsternis fegt alles beiseite, was ihm im Weg steht.«
Er reichte den Zweig an Armand weiter und nahm einen Stoffstreifen aus einer Schüssel voll Flüssigkeit. Vorsichtig wickelte er ihn um seine verbrannte Hand.
Armand neigte ehrfürchtig den Kopf über den Zweig. Er begann am ganzen Körper zu zittern. Schließlich blickte er auf. »Ich habe gesehen, wie ich zwischen Finsternis und Licht stehe. Wir kämpfen gegen das Dunkel, und wir sind nicht allein. Andere sind mit uns, aber wir haben einen Preis zu bezahlen.«
Wortlos reichte er den Zweig an Philippe weiter und nahm dann ein durchtränktes Tuch aus der Schüssel, die Alonzo ihm reichte, um sich ebenfalls die Hand zu verbinden. Philippe neigte sich nur einen Augenblick über den Zweig, ehe er wieder aufblickte. Tränen glitzerten in seinen Augen.
»Ich sehe, wie ich eine große Last von den Schultern eines anderen nehme. Sie lässt mich altern.«
Er gab Pablo den Zweig und nahm sich ein Stück getränkten Stoff. Der Junge verharrte mehrere Minuten lang still über den Zweig geneigt, ehe er schließlich den Kopf hob.
»Ich sehe eine Insel, die seit Jahrhunderten verborgen ist. Dort ist ein Mann in Ketten. Eine Frau wacht über ihn, wie sie es schon immer getan hat. Sie fürchtet sich. Da ist noch jemand auf der Insel, der ihr Angst macht.«
José Luis nahm den Zweig von Pablo entgegen und umklammerte ihn fest. Nicole konnte seine verbrannte Haut riechen und sah, wie sich die Sehnen in seinen Fingern spannten.
Schließlich blickte er auf. Seine Stimme klang unheimlich ruhig, als er sprach. »Ich sehe meinen Tod.«
Schockiert starrte Nicole auf den Zweig, den er ihr hinhielt. Sie wollte ihn nicht nehmen, wollte sich nicht die Hand verbrennen, und ganz gewiss wollte sie nichts von der Zukunft sehen. Dennoch streckte sie die Hand aus und packte den Zweig. Ihre Haut verbrannte, und sie wusste es, doch sie spürte nichts. Sie hielt den Zweig vor ihre Brust.
Elis lachendes, höhnisches Gesicht trieb auf sie zu. Es löste sich auf, und sie sah ein weiteres Gesicht über sich. Die Züge wirkten grausam und verzerrt unter einer Mähne aus blondem Haar. Sie schrie auf und warf den Zweig von sich.
Alonzo fing ihn in der Luft auf und sprach ein paar Worte darüber, ehe er ihn sacht auf den Boden legte. José Luis wickelte ihre verbrannte Hand in das kühlende Tuch. »Was hast du gesehen?«, drängte er.
Sie blickte zu ihm auf und rang nach Luft. Sie hatte dieses Gesicht noch nie im Leben gesehen, doch nun, da sie nach Luft schnappte, danach gierte, als stecke ihr Kopf immer noch unter Wasser in der Badewanne, wusste sie: »Ich habe... meinen zukünftigen Ehemann gesehen.«
Ihr wurde nicht wieder warm, und sie konnte nicht aufhören zu zittern. Es war, als erfriere sie langsam von innen heraus. Der Boden unter ihr war hart, und der Umhang schützte sie zwar vor der kühlen Morgenluft, konnte sie aber nicht wärmen. Nicole legte sich auf die Seite, zog die Knie an die Brust und versuchte, ihre Vision zu vergessen.
Sie hatte Eli gesehen, und eine Stimme in ihrem Inneren hatte ihr gesagt, dass er noch lebte. Wie war das möglich? Waren er, Michael und Jer nicht in dem Feuer umgekommen? Wenn Eli noch am Leben war, galt das womöglich auch für Michael. Sie könnten das Böse sein, das wie ein Pesthauch über Europa wehte.
Sie sollte Amanda und Holly warnen. Sie hatten ein Recht, davon zu erfahren. Wenn das wirklich stimmte, mussten sie vorbereitet sein. Ich sollte bei ihnen sein. Sie schlug sich mit der Faust auf den Oberschenkel. Ich will nicht zurück. Ich will mit Magie nichts mehr zu tun haben.
Eine innere Stimme verhöhnte sie und sagte ihr, wie
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