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Hexentraum

Hexentraum

Titel: Hexentraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debbie Viguié , Nancy Holder
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Regen glitt das Auto dahin. Kari begann zu weinen und schluchzte so heftig, dass es ihr den Magen umdrehte. Galle stieg ihr die Kehle hoch und brannte in ihrer Speiseröhre. Als sie zu schlucken versuchte, stellte sie fest, dass es nicht ging. Sie saß mit zusammengebissenen Zähnen da und weinte immer verzweifelter, bis sie heulte wie eine Wahnsinnige.
    Dann ertappte sie sich dabei, wie sie laut das Vaterunser herbetete, ohne auf die Worte und ihre Bedeutung zu achten. Das war nur ein Reflex aus ihrer Kindheit. Sobald sie bemerkte, was sie da tat, lauschte sie den Worten aufmerksam, doch auch darin fand sie keinen Trost.
    Alle Götter und Göttinnen haben mich verlassen, dachte sie verbittert. Diesen Dämonen muss ich mich ganz allein stellen.
    Buchstäblich.
    Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie so dahintrieb, getragen von dem magischen Leuchten. Doch irgendwann war sie erschöpft vom vielen Weinen, und ihr wurde der Kopf schwer. Verschwommene Bilder glitten vor ihren geschlossenen Lidern vorüber - glücklichere Zeiten mit Jer, als sie Händchen gehalten und sich angelächelt hatten. Sie und Jer, klatschnass und schwindelig in der Schwitzhütte. Kialish und Eddie waren auch dabei gewesen, und jetzt waren sie beide tot...
    Oh Gott! Ich habe das viele Sterben so satt! Ich habe solche Angst!
    Dann hörte sie Vögel kreischen und öffnete die Augen. Ihr stockte der Atem. Sie schluckte schwer, ballte die Hände im Schoß zu Fäusten und packte dann das Lenkrad - als würde das irgendetwas nützen.
    Das Auto war von Leibern umgeben, die im Mondlicht schimmerten. Dutzende Bussarde flogen zu beiden Seiten neben ihr her. Einer bewegte ruckartig den Kopf in ihre Richtung. Seine Augen glühten blutrot, und er öffnete und schloss den Schnabel wie ein unheimlicher Roboter. Kari schrak zurück und blinzelte fassungslos nach draußen. Der Vogel starrte sie weiterhin an, dann schloss er den Schnabel und richtete den Blick wieder nach vorn.
    Als Nächstes hörte sie ein seltsames Geräusch, das sie anfangs für ihren eigenen Herzschlag hielt - ein rhythmisches Wumm-wumm, wumm-wumm. Sie lauschte, eine Hand an die Brust gepresst. Der Rhythmus stimmte nicht. Ihr Herz schlug viel schneller, und ihr wurde klar, dass der Laut von irgendwo außerhalb des Wagens kam.
    Sie starrte zu der riesigen Schar Vögel hinaus. Das sind ihre Schwingen, erkannte sie entsetzt. Die Vögel flogen in vollkommenem Einklang dahin, ihre Flügel wogten im Regen auf und ab, auf und ab. Kari stand ein Bild von Galeerensklaven vor Augen, die an schmale Ruderbänke gekettet schwere Riemen hoben und senkten, stets in dem Takt, den der Rudermeister vorgab.
    Wumm-wumm, wumm-wumm ... und dann wurde das Geräusch langsamer und verschwamm. Sie spürte, wie ihr Kopf an die Kopfstütze sank. Ihre Augen blieben zwar offen, aber sie sah keine Vögel mehr, keinen Nachthimmel und kein Mondlicht. Ihr Gesichtsfeld flimmerte, Farben rannen ineinander, als fiele Regen auf eine Kreidezeichnung, und dann platzte ein fremder Ort in ihre Wirklichkeit, und eine neue ... oder sehr alte... Zeit.
    Eine sehr alte Zeit.
    Frankreich, im 13. Jahrhundert
    »Allons-y!«, rief der prachtvolle Edelmann zu Pferde. Er war der Erbe des Hauses Deveraux, Jean. Und dies war die große Jagd für seine Hochzeitstafel. Er sollte noch in dieser Nacht mit Isabeau de Cahors vermählt werden, der Tochter des rivalisierenden Hexengeschlechts.
    Und dann wird er mich vergessen, dachte Karienne niedergeschlagen. Sie saß rittlings zu Pferde wie ein Mann und folgte in diskretem Abstand. Zwar wusste fast die gesamte Jagdgesellschaft, dass sie Jeans Geliebte war, aber die Leute wussten auch, dass er sie fortan verschmähen würde. Er musste sich seine Manneskraft für das Ehebett aufsparen und Isabeau so bald wie möglich schwängern. Das war die stille Vereinbarung zwischen den beiden Familien.
    Wie immer sah Jean beeindruckend gut aus. Sein mit Hermelin besetzter Umhang fiel über den Sattel und den kurz geflochtenen Schweif seines Schlachtrosses. Der Reiter reckte den linken Arm in die Luft, und der prachtvolle Bussard Fantasme, der auf dem Lederhandschuh gesessen hatte, schwang sich in den goldenen Himmel und flog auf das Dickicht unmittelbar vor ihnen zu.
    Der Jubel der Jäger vermischte sich mit dem gleichförmigen Rhythmus der Trommler, die vorangingen. Wumm- wumm, wumm-wumm, in scharfem, gnadenlosem Takt verkündeten sie den Tod, den Tod... Vorerst jagten sie nur Vögel, Hasen und Hirsche.
    Aber bald

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