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Hexenzorn

Titel: Hexenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. A. Pratt
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Brettern vernagelt, im zweiten Stock fehlten die Scheiben, und dahinter gähnten die rußgeschwärzten Wände. Über den obersten Fenstern waren Flachreliefs von mythologischen Wesen zu erkennen: Greife, Einhörner und andere Kreaturen, die von Wetter und Vandalismus so mitgenommen waren, dass man sie nicht mehr erkennen konnte.
    »Hier ist nichts«, sagte Rondeau. »Zumindest kein Bahnhof.«
    »Vielleicht haust sie in dem Hotel«, sagte Marla mit einem
gewissen Zweifel in der Stimme. »Vielleicht gibt es ein Untergeschoss.« Manche Magier fühlten sich nur inmitten der größten Zerstörung richtig wohl, Pyromanten erwählten oft den Ort einer Brandstiftung zu ihrer Höhle. Doch irgendwie stand das alles im Widerspruch zu dem, was in gestochen scharfer Laserjet-Helvetica auf Daltons Ausdruck stand: »Bethany. Tenderloin Station. Unterirdisch.«
    »Oder vielleicht ist der eigentliche Eingang da«, sagte B. und deutete auf einen Fleck aufgesprungenen Pflasters gleich links von der mit Brettern zugenagelten Doppeltür.
    Marla sah genauer hin, und da erkannte sie den Eingang, als hätte sie gerade ein Vexierbild gelöst. B.’s Begabung als Seher erwies sich als immer nützlicher. Sie sah eine Treppe, die nach unten zu einer versteckten, rechteckigen Öffnung führte. Treppe und Wände hatten dieselbe Farbe und Oberflächenbeschaffenheit wie das Pflaster darum herum, was die Illusion zumindest teilweise erklärte. Aber es lag eindeutig auch ein Zauber darauf, um den Anblick vom Rest der Umgebung ununterscheidbar zu machen. Marla spähte in den unterirdischen Eingang hinein und sah die kaum erkennbaren Umrisse der Tür, die sich verzweigten wie die Risse im Pflaster des Gehsteigs.
    »Das dürfte das prächtige Eingangstor sein«, sagte Rondeau. Marla nickte und ging vorsichtig die Stufen hinunter - selbst wenn sie sich voll darauf konzentrierte, schienen sie unter ihren Füßen zu verschwimmen und sich auflösen zu wollen. Die Treppe führte etwa zwei Meter tief unter die Erde.
    »Krass«, sagte Rondeau. »Es sieht aus, als ob du einfach im Asphalt versinkst, obwohl ich genau weiß, dass die Stufen da sind. Aber wenn ich nur einmal kurz blinzle, sind sie weg.«
    »Ich habe nicht mal gemerkt, dass der Eingang getarnt ist«, sagte B. »Für mich ist er so deutlich zu erkennen wie nur irgendwas. Ich frage mich, wie viele Dinge ich jeden Tag sehe, die eigentlich versteckt sind.«
    »Schwer zu sagen«, meinte Marla und dachte wieder daran, wie schwierig es für B. sein musste, in einer Schattenwelt zu leben, Mr. Zwischen-allen-Stühlen, der sich unter den Normalen nicht wohl fühlte und den unter Magiern niemand kannte.
    Marla ging zur Tür und legte eine Hand darauf; sie spürte den rauen, kalten Stein unter der Handfläche und den nicht weniger rauen Fingerkuppen. Sie untersuchte die Ränder der Tür nach einem Riegel, konnte aber nichts finden. Sie trat einen Schritt zurück. »B.?«, sagte sie. »Können Sie erkennen, wie man da reinkommt?«
    Stirnrunzelnd kam B. die Stufen hinunter und streifte Marla kurz, als er an die Tür trat, um sie zu untersuchen. Er roch nach feuchtem Gras und schwarzem Tee; ein seltsam angenehmer Duft, und für einen Moment, als Marla sein Gesicht im Profil sah und hinter die Last all des Leids der vergangenen Jahre und hinter die diversen Schichten seiner Secondhand-Klamotten-Tarnung blicken konnte, sah sie das Charisma, das er so sehr zu verbergen suchte, diese Anziehungskraft, die ihn früher zu einem kleineren Filmstar gemacht hatte und jetzt Geister und Visionen anzog. Marla hatte selten Zeit für romantische Verwicklungen, und noch seltener bereute sie diese Tatsache, aber B.’s umwerfendes Profil zu sehen - die Corona seiner vielfach verfinsterten inneren Sonne -, ließ sie einen kurzen Stich der Sehnsucht verspüren.
    Und natürlich war er schwul. Aber egal. Das Letzte, was
sie auf diesem Trip gebrauchen konnte, war eine weitere Komplikation, selbst wenn es sich um eine angenehme handeln sollte.
    »Hmm. Hier hängt etwas wie eine Regel in der Luft«, sagte B.
    »So was wie die zehn Gebote?«, fragte Rondeau.
    »Nein, ich meine eine immer wiederkehrende Routine. Eine Handlung, die so oft vollzogen worden ist, dass sie etwas in der Luft hinterlassen hat. Ich kann es spüren, wie die Erinnerung an eine Bewegung. Ich glaube, es ist … es geht … so.« Er trat gegen die rechte untere Ecke der Tür, und in dem Moment sah Marla die veränderte Farbe an diesem Fleck, der tausendmal getreten

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