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Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Hexer-Edition 03: Das Haus am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vielleicht auch nur mein Geist von einer unsichtbaren geistigen Faust getroffen und bis ins Mark erschüttert. Ich taumelte, griff Halt suchend um mich und fiel auf die Knie. Wie durch einen grauen, wogenden Schleier sah ich Howards Gesicht vor mir.
    »Robert!« Howards Stimme klang besorgt und erschrocken zugleich. »Mein Gott, Junge – was ist mit dir?«
    In meinem Kopf drehte sich alles. Ich stöhnte, schob seine Hand kraftlos beiseite und versuchte aufzustehen, aber ich war für einen Moment so schwach, dass mir Rowlf dabei helfen musste.
    »Was ist … passiert?«, fragte ich verwirrt. Die Bibliothek drehte sich um mich herum, und Howards Gesicht führte einen irren Veitstanz vor mir auf. Für einen Moment drohte ich abermals das Gleichgewicht zu verlieren.
    »Du weißt es nicht?«
    »Ich …« Vergeblich versuchte ich mich zu erinnern. Die Bilder, die ich gesehen hatte, erschienen mir sinnlos. Aber sie waren trotzdem von einer erschreckenden Realität gewesen. »Ich weiß nicht«, murmelte ich. »Ich hatte eine … eine Art Vision.«
    »Vision?« Howard runzelte die Stirn und sah mich scharf an. »Du hast geschrien, Robert.«
    »Geschrien?«
    Er nickte. Sein Gesicht war sehr ernst. »Ja. Du hast … einen Namen gerufen. Du erinnerst dich nicht?«
    Ich versuchte es, aber alles, woran ich mich erinnerte, war das Bild dieses Kellerraumes. Das Mädchen. Das Mädchen, das ich gewesen war … Und ein unbeschreibliches Ding, das …
    Ich stöhnte. Das Bild verschwamm, wenn ich mich genauer zu besinnen suchte. Ich hatte einen flüchtigen Eindruck von Schwärze, wogender, glitzernder und irgendwie lebender Schwärze, von schleimigem Fleisch und glitzerndem Horn. Einer Art Papageienschnabel. Aber es verblasste, sobald ich danach zu greifen versuchte. Es war, als wollte etwas verhindern, dass ich das Ungeheuer beschreiben konnte. Aber ich wusste, dass ich es gesehen hatte. Und das wenige, woran ich mich erinnerte, war schrecklich genug.
    »Charles«, sagte Howard. »Du hast ein paarmal ganz deutlich Charles gerufen. Erinnerst du dich nicht?«
    »Ich erinnere mich an nichts«, murmelte ich. »Nur an …«
    Eine rasche, wellenförmige Bewegung ging durch den Raum. Vielleicht war es auch keine wirkliche Bewegung. Es war ein rasches, blitzschnelles Zucken und Wogen, eine Erscheinung, als bögen sich Wände und Decke in sich, veränderten sich Winkel und Geraden auf unheimliche, mit menschlichen Sinnen kaum mehr erkennbare Weise … Für einen ganz kurzen Moment streifte der Atem einer fremden, unbeschreiblich anderen Welt das Gebäude; einer Welt, von der wir nur Schatten und verzerrte Trugbilder wahrzunehmen imstande waren. Und für einen ganz kurzen Moment war es, als lebe das Haus.
    Dann war es vorbei.
    Howard sprang mit einem unterdrückten Keuchen zurück. »Was war das?«, fragte er. »Das …«
    Wieder wand sich der Boden – und wieder war die Bewegung nicht wirklich zu sehen oder zu fühlen, als spiele sich das alles in einer Dimension – oder auf einer Ebene des Seins – ab, die jenseits der für Menschen zugänglichen war.
    Howard erbleichte. Sein Mund öffnete sich, aber er brachte kein Wort hervor, sondern starrte nur aus ungläubig geweiteten Augen an mir vorbei auf den Tisch.
    Langsam, mit einem Gefühl widersinniger, aber immer stärker werdender Angst, drehte ich mich herum. Ich wusste nicht, was ich erwartete – vielleicht das Ungeheuer aus meiner Vision, vielleicht einen Boldwinn, der auf bizarre Weise wieder zum Leben erwacht war … Es war nichts von allem, nichts von dem formlosen Schrecken, mit dem meine Phantasie die Leere hinter mir füllte. Der Anblick war beinahe banal. Und doch ließ er ein ungläubiges Stöhnen über meine Lippen kommen.
    Unser Essgeschirr stand noch so da, wie wir es nach der überhastet abgebrochenen Mahlzeit zurückgelassen hatten. Aber es begann sich auf unheimliche Weise zu verändern!
    Die Reste der Speisen auf den Tellern vermoderten. Weißlicher Schimmelpilz bildete sich, wuchs zu wässrigen, krebsartig verquollenen Gebilden heran und zerfiel, so schnell, dass es aussah, als lebe die wabbelige Masse; auf dem Silber der Schalen und Schüsseln erschienen Flecken, das Porzellan wurde grau und unansehnlich und begann zu reißen. Das Tischtuch zerfiel zu grauem Staub. Es war, als liefe die Zeit vor unseren Augen hunderttausendmal schneller ab als normal …
    Und die Veränderung beschränkte sich nicht nur auf den Tisch. Wie Kreise, die ein ins Wasser geworfener Stein

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