Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire

Titel: Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
morgen früh kommt«, fuhr der Fremde fort, »dann sagen Sie ihm einfach, auf Zimmer« – er warf einen raschen Blick auf den Schlüsselanhänger – »auf Zimmer hundertzehn ist ein frisch verheiratetes Paar, das nicht gestört werden will. Und tragen Sie eine entsprechende Meldung in Ihr Buch ein.«
    Der Portier nickte, schraubte den Füller wieder auf und senkte den Blick. Beinahe entsetzt sah er, wie seine Hand ohne sein Zutun zu schreiben begann und die Linien mit Namen und Daten nicht existierender Personen füllte. Anschließend krakelte er ein unleserliches Etwas als Unterschrift darunter. Niemand würde Verdacht schöpfen, das wusste er. Es kam häufig vor, dass sich ein junges Paar unter falschem Namen in einem der Zimmer einmietete, im Voraus bezahlte und für Tage nicht gesehen wurde.
    »Sehr gut«, sagte der Fremde, als er fertig war. »Und, wie gesagt – am besten vergessen Sie selbst auch, dass Sie mich jemals gesehen haben.«
    »Das … werde ich tun«, antwortete der Portier stockend. Noch einmal versuchte er sich gegen den fremden Einfluss zu wehren, der ihn zwang, Dinge zu tun und zu denken, die er nicht tun oder denken wollte.
    Aber als sich der Fremde abermals umwandte und zur Treppe hinüberging, hatte er schon vergessen, dass er ihm überhaupt jemals begegnet war.
     
    Es dauerte lange, bis Howard zurückkam; viel länger, als nötig gewesen wäre, um wirklich in sein Zimmer im Erdgeschoss hinunterzugehen und neue Zigarren zu holen. In seinem Mundwinkel hing eine glimmende Zigarre, als er die Bibliothek wieder betrat, und in der rechten Hand hielt er einen Brief mit einem mächtigen, amtlich aussehenden Siegel.
    »Das ist gerade gekommen«, sagte er und hielt mir den Brief hin. »Eingeschrieben. Scheint wichtig zu sein.«
    Ich nahm den Brief entgegen, warf aber noch nicht einmal einen Blick auf den Absender, sondern legte ihn ungeöffnet vor mich auf den Tisch und blickte Howard weiter unverwandt an.
    Die sonderbare Lähmung, die von mir Besitz ergriffen hatte, hielt mich noch immer gepackt. Ich fühlte mich … erschlagen. Und es war noch etwas; etwas, das mir nur langsam klar wurde und das mich mit einem tiefen, ungläubigen Schrecken erfüllte. Das Gefühl der Freundschaft, diese beinahe väterliche Verbundenheit, die ich Howard gegenüber empfunden hatte, war gestört.
    Howard hielt meinem Blick ein paar Sekunden lang stand, dann nahm er die Zigarre aus dem Mund und sah mich stirnrunzelnd an. »Was ist los mit dir, Robert?«, fragte er. »Habe ich plötzlich ein drittes Auge auf der Stirn?«
    »Nein«, antwortete ich gepresst. Bisher hatte ich mich mit aller Mühe beherrscht; jetzt, als ich sprach, fiel es mir plötzlich immer schwerer, wenigstens äußerlich die Fassung zu bewahren. »Ich bewundere dich nur, das ist alles.«
    Howards Stirnrunzeln vertiefte sich. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Was ist los?«, fragte er. »Ist irgendetwas passiert, während ich …« Er stockte, wandte den Kopf mit einer ruckartigen Bewegung und starrte die Standuhr an.
    »Es hat nichts damit zu tun«, sagte ich rasch. »Nicht das Geringste, Howard. Ich bewundere dich nur, das ist alles. Ich habe schon von frühreifen Kindern gehört, aber du setzt selbst mich in Erstaunen.«
    »Bist du verrückt geworden?«, murmelte Howard. Seine Selbstsicherheit war sichtlich erschüttert. Er spürte, dass ich auf etwas Bestimmtes hinauswollte, aber er wusste nicht, worauf.
    »Keineswegs«, antwortete ich. Meine Hand glitt unter die Tischkante und griff in die Schublade, in die ich die beiden Pässe gelegt hatte.
    »Dein Jackenfutter hat einen Riss«, sagte ich betont, während ich langsam den Pass – einen der beiden Pässe – aus der Schublade nahm und ihn quer über den Tisch auf Howard zuschob. »Das hier ist herausgefallen.«
    Howards Augen weiteten sich. Ich sah, wie er hinter der blaugrauen Qualmwolke, die er wie eine Barriere zwischen uns gelegt hatte, erbleichte.
    Seine Hand zuckte, als wolle er den Pass an sich reißen, dann beherrschte er sich im letzten Moment und nahm das Dokument mit einer erzwungen ruhigen Bewegung auf. Seine Finger spielten nervös an dem Eselsohr in seinem Einband. Er lächelte, sog wieder an seiner Zigarre und schlug den Pass auf, in einer bewusst gleichmütigen Geste, so als hätte er eigentlich keinen Grund dazu, und beschäftigte nur seine Finger. Sein Blick bohrte sich in den meinen, aber ich schwieg und tat so, als würde ich auf einen Punkt irgendwo hinter ihm

Weitere Kostenlose Bücher