Hexer-Edition 06: Die Chrono-Vampire
er war mit einem Schlag still und drehte lauernd seinen Kopf hin und her. Dann begann er plötzlich laut zu schnüffeln und stampfte mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.
»Das hättest du nicht tun sollen, Robert Craven! Das war ein Fehler, den du noch sehr bedauern wirst. Hier kannst du mir nämlich nicht entkommen. Du kennst die geheime Tür in der Wand nicht und im Wasser lauert der Tod!« Grässlich lachend trommelte er mit beiden Fäusten auf seine Brust und torkelte mir entgegen. Feuchte, dampfende Pfützen blieben zurück, wo er ging. Er schien nicht einmal zu bemerken, was mit ihm geschah!
»Ich werde dich zermalmen, Robert Craven! Du wirst schreien, dass man es in ganz Amsterdam hören wird. Doch es wird dir niemand helfen, denn das Labyrinth ist eine eigene Welt mit ihren eigenen Regeln, die nichts mit der Welt draußen gemein hat. Du spürst ja schon die Vorfreude auf deine Schmerzen, Robert Craven. Du zitterst doch schon vor Angst, nicht?« Er kicherte und in seinem Blick loderte der Wahnsinn. Er berauschte sich förmlich an seinen eigenen Drohungen. Doch das Schlimme war, dass er Recht hatte. Meine Zähne klapperten vor Furcht und ich musste mir auf die Lippen beißen, um das Geräusch zu dämpfen. Ich hatte einfach nicht die Kraft, meinen Gegner anzugreifen und mit dem Degen zu attackieren. So wich ich vor ihm zurück, bis ich mit dem Rücken zur Gracht stand. Er folgte mir mit schief gehaltenem Kopf.
Ich tauchte unter seinen zugreifenden Pranken hindurch und hoffte, dass er weitergehen und ins Wasser stürzen würde. Doch er blieb genau an der Uferkante stehen und sog prüfend die Luft ein. Dann drehte er sich langsam herum.
Ich sprang ihn mit dem Mut der Verzweiflung an und traf ihn mit der Fußspitze über dem Knie. Er verlor das Gleichgewicht und ruderte mit den Armen in der Luft.
Dann kippte er nach hinten und fiel rücklings ins Wasser. Einen kurzen Moment lang konnte er sich noch an der Oberfläche halten. Dann ging er unter und versank in der Tiefe.
Eine Sekunde später glomm unter der Wasseroberfläche ein unheimliches, blaues Licht auf. Zuerst dachte ich, das Wasser würde brennen. Dann erkannte ich, dass das Licht von meinem Verfolger ausging. Er wurde immer heller, bis er nach wenigen Sekunden wie ein in der Tiefe der Gracht brennender Holzstoß aussah. Zwei Augenblicke später explodierte er mit einem dumpfen Knall.
Ich war so erschöpft, dass ich nicht einmal Erleichterung über das Ende meines Verfolgers empfand. Meine Hüfte schmerzte, als würde jemand mit einer glühenden Stange hineinstechen, und meine Oberarme waren von dem Griff meines Verfolgers taub. Dazu pochte mein verletzter rechter Daumen wie verrückt. Ich wickelte mein Taschentuch darum, um die Blutung zu stillen, und las dann die Scheide meines Stockdegens auf.
Meine Hände zitterten vor Schwäche, so dass ich kaum die Klinge in die Scheide einführen konnte. Danach war ich so erschöpft, dass ich mich hinsetzen und verschnaufen musste.
Ich wäre am liebsten nicht mehr aufgestanden. Doch nach einigen Minuten wankte ich auf die Mauer zu und untersuchte sie. An einer Stelle war sie zwar nur fünf Meter hoch, aber praktisch fugenlos glatt. In meinem desolaten Zustand war es mir unmöglich, an ihr hochzuklettern.
So blieb mir nichts anderes übrig, als die geheime Tür zu suchen, die mein Verfolger erwähnt hatte. »Wenn es sie überhaupt gibt und der Kerl dich nicht zum Narren gehalten hat«, flüsterte mir ein Gedanke ein. Ich versuchte ihn zu ignorieren, aber nach einer halben Stunde erfolgloser Sucherei sah es so aus, als ob sich diese Befürchtung bewahrheiten würde. Ich hatte die Mauer von Ufer zu Ufer untersucht und nichts als glatten Stein gefunden.
Ich sank müde und enttäuscht zu Boden und blieb auf dem Rücken liegen. Meine Rippen stachen und meine Zunge lag mir wie ein angeschwollener Schlauch im Mund. Wenn ich nicht bald etwas zu trinken bekam, würde ich in kurzer Zeit nicht mehr weiter können. Auch meldete sich jetzt mein Magen und rächte sich dafür, dass ich am Morgen in meiner Eile auf das Frühstück verzichtet hatte.
Das Wasser der Gracht schlug mit sanftem Klatschen gegen das Ufer, und ich konnte diesem Ruf nicht widerstehen. So rasch mich meine Beine trugen, eilte ich hin und tauchte beide Hände ins Wasser. Der Gestank, der dem Wasser entströmte, ließ die Übelkeit wieder in mir hochsteigen. Ich würgte, kämpfte erfolglos gegen den Brechreiz an und übergab mich.
Schließlich kam ich
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