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Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod

Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod

Titel: Hexer-Edition 11: Der achtarmige Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich etwas geändert. Harmfeld wusste selbst nicht zu sagen, was – aber das Schiff, das die ganze Nacht über auf geradem Kurs und sehr schnell gelaufen war, musste beigedreht haben, vielleicht in einen Hafen eingelaufen sein oder auch nur gegen den Wind kreuzen.
    Behutsam schob Harmfeld die Taurolle zur Seite, unter der er Zuflucht gesucht hatte, hob den Kopf über den Rand seiner improvisierten Deckung und spähte aus zusammengekniffenen Augen in die Runde. Er war allein; das Kabelgatt war leer, nicht nur von Menschen, sondern buchstäblich von allem Leben verlassen. Die Luft hier unten war so feucht und stank so erbärmlich, dass sich nicht einmal Ratten und Ungeziefer lange hier aufhielten.
    Harmfeld stand vorsichtig auf, sah noch einmal misstrauisch in die Runde und zog seinen Revolver aus dem Gürtel, ehe er sein Versteck vollends verließ und sich der Tür näherte. Das Schiff vibrierte sanft unter seinen Füßen, ein weiterer Beweis dafür, dass es nicht mehr mit der Strömung fuhr, sondern sich gegen die Kraft des Ozeans stemmte. Harmfeld öffnete die Tür, packte seine Waffe fester und begann geduckt den niedrigen, unbeleuchteten Gang entlangzuschleichen, der sich dahinter erstreckte.
    Nach einer Weile hörte er Geräusche: Schritte und Poltern, die vertrauten Laute einer Mannschaft, die an Deck arbeitete und Dinge tat, die Matrosen eben tun, ihr Schiff seeklar zu erhalten und zu manövrieren, das Brausen der Wellen, die sich am Bug der Zuidermaar brachen und schaumige Gischt auf ihr Deck schleuderten.
    Nur eines fehlte: Stimmen.
    Er hörte nicht ein einziges Wort. Nicht eine einzige, menschliche Stimme.
    Minutenlang stand Harmfeld einfach da, lauschte und überlegte, was er als nächstes tun sollte. Er war ratlos. Hätte man ihn in diesem Moment gefragt, warum er sich überhaupt an Bord geschlichen und verborgen gehalten hatte, bis das Schiff in See stach, hätte er vermutlich nicht einmal eine Antwort darauf gewusst.
    Schließlich erwachte er aus seiner Starre, schlich auf Zehenspitzen die Treppe hinauf und spähte durch einen Türspalt.
    Von seinem Versteck aus konnte er einen großen Teil des Vorderdecks überblicken. Das Bild, das sich ihm bot, war von fast bedrückender Normalität. Die Zuidermaar hatte tatsächlich gedreht und kreuzte jetzt gegen den Wind, wenn auch viel schneller, als es eigentlich möglich gewesen wäre. Männer kletterten im Tauwerk empor, balancierten geschickt auf den Spieren oder stemmten sich zu fünft oder zehnt gegen die mächtigen Verspannungen, die das Deck des Kriegsschiffes überzogen. Alles schien ganz normal. Mit einem Unterschied: Die Männer, die die Zuidermaar bemannten, waren keine lebenden Menschen.
    Es waren Untote. Leichen, von einer satanischen Macht aus ihrer ewigen Ruhe gerissen und zur boshaften Karikatur menschlichen Lebens wiedererweckt.
    Obwohl Harmfeld Zeit genug gehabt hatte, sich an den Gedanken zu gewöhnen, lähmte ihn das Bild. Was er sah, war real, aber eine Schiffsmannschaft aus Toten zu erblicken, das war einfach nichts, was ein Mann wie Harmfeld akzeptieren konnte. Bisher war sein Leben in zwei klar voneinander getrennte Bereiche geteilt gewesen: in das, was seine Pflicht war und was er tun musste, und das, was er durfte, ohne gegen seine Pflichten zu verstoßen. Jetzt war er plötzlich mit etwas konfrontiert worden, das er nicht begriff; etwas, das außerhalb seiner Realität existierte und das anzuerkennen er sich einfach weigerte.
    Alles hatte mit diesem Craven angefangen, dachte er düster. Mit ihm und seinem Gerede von irgendwelchen Geistern, die vor Hunderten von Millionen Jahren von den Sternen gekommen waren und jetzt nach der Macht auf der Erde trachteten.
    In Gedanken verfluchte Harmfeld den Moment, in dem er Robert Craven kennen gelernt hatte. Vorher war sein Leben hart, aber klar gewesen … und jetzt? Er hatte alles verloren: seinen Glauben an die Wirklichkeit, seine Männer – und jetzt auch noch sein Schiff. Aber er würde –
    Der Hieb traf ihn völlig unvorbereitet. Er hörte kein verräterisches Geräusch, sah keinen Schatten, keine Bewegung – aber plötzlich krachte etwas mit der Wucht eines Hammerschlages zwischen seine Schulterblätter. Harmfeld keuchte vor Schmerz und Überraschung, prallte gegen die Tür und stolperte mit hilflos rudernden Armen auf das Deck hinaus.
    Ein Schatten wuchs vor ihm auf. Er versuchte seine Waffe zu heben und darauf zu zielen, aber noch bevor er die Bewegung halb zu Ende gebracht hatte, traf

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