Hexer-Edition 12: Die Hand des Dämons
Grenze des Vergnügungsviertels angelangt; eine Gegend, um die ich normalerweise nicht nur in Frisco, sondern auch in allen anderen Städten einen weiten Bogen gemacht hätte.
Nicht zuletzt, weil es noch gar nicht so lange her war, dass ich mir selbst meinen Lebensunterhalt damit verdiente, eben diese Gegenden unsicher zu machen. Im Moment allerdings schien mir die Straße genau das Richtige. Wenn ich überhaupt eine Chance hatte, meinen Verfolger irgendwie loszuwerden, dann hier.
Ich sah mich noch einmal um – natürlich ohne ihn zu erblicken –, griff in die Rocktasche und tat so, als überprüfe ich meine Barschaft; eine Geste, die mir genau richtig schien, den unbedarften Touristen zu spielen, der hierher gekommen war, um das große Abenteuer zu erleben. Dann überquerte ich forschen Schritts die Straße und trat durch den Eingang des Spielsalons.
Es war wie ein Schritt in eine andere Welt. Der Lärm und das Licht von San Francisco blieben hinter mir zurück und vor mir, nur noch durch einen halb zurückgeschlagenen Vorhang getrennt, neben dem ein breitgesichtiger Schlägertyp herumlungerte, begann die glitzernde Plüschwelt des Spielsalons. Gedämpftes Stimmengemurmel drang in den Vorraum, das Klirren von Glas, das helle Klickern einer Roulettkugel, dazwischen ein helles Frauenlachen, der Geruch nach abgestandenem Qualm und Whisky …
Wie lange war es her, dass ich selbst in dieser Welt zu Hause gewesen war?
Wirklich schon fast vier Jahre? In diesem Moment kam es mir vor wie vier Tage. Ich kannte sie, diese Welt, die auf der anderen Seite des Vorhanges begann, wenngleich auch aus einer ganz anderen Sicht. Wie viele Nächte hatte ich in Lokalen wie diesem verbracht, hinter der Theke stehend und Gläser spülend, Spucknäpfe auswechselnd, hatte Leute Summen verspielen sehen, für die ich zehn Jahre hätte arbeiten müssen!
Ich verscheuchte den Gedanken, ging weiter und warf dem Muskelberg ein Lächeln zu, während er mich kalt betrachtete, mit geübtem Blick meine Kleidung und mein Auftreten einschätzte und zu dem Ergebnis kam, dass ich einzulassen wäre. Nach einer Sekunde faltete er sogar die Arme auseinander und verzog sein Gesicht zu etwas, das er für ein freundliches Lächeln halten mochte.
»Einen Tisch, Sir?«
Ich überlegte einen Moment, dann schüttelte ich den Kopf, deutete auf die Bar, die eine ganze Seitenwand des Raumes einnahm, und schnippte dem Breitgesicht im Weitergehen noch einen Vierteldollar zu.
Erneut nahm mich die glitzernde Welt des Spielsalons gefangen, kaum dass ich ein paar Schritte weitergegangen war; und für Augenblicke vergaß ich sogar meinen Verfolger und den eigentlichen Grund, aus dem ich hier hereingekommen war.
Es war wie eine Heimkehr. Die blitzende Strasswelt rings um mich herum stieß mich ab – und gleichzeitig zog sie mich an, auf eine schwer in Worte zu fassende, fast morbide Art.
Vielleicht war es einfach das Gefühl, zum ersten Mal im Leben auf der anderen Seite des Vorhanges zu stehen; in jeder Bedeutung des Wortes.
Ich ging zur Bar, setzte mich auf einen freien Hocker, bestellte ein Bier und sah mich noch einmal um, etwas gründlicher diesmal.
Der Raum war sehr groß, wirkte aber klein, denn an den zwei Dutzend unterschiedlich großen Spiel- und anderen Tischen drängelten sich an die zweihundert Menschen, wenn nicht mehr. Leicht gekleidete Mädchen bewegten sich zwischen den Tischen oder rückten den Spielern näher, die gewonnen hatten, ein altersschwacher Chinese wieselte umher und tauschte übervolle Aschenbecher und Spucknäpfe gegen frische aus und wohl ein Dutzend Kellner balancierte mit einmaligem Geschick Tabletts durch das Menschengewühl.
Kurz, es war ein unglaubliches Chaos.
Genau das, was ich brauchte. Das Beste allerdings war die Tatsache, dass es mit Ausnahme zweier Türen hinter der Bar keinen weiteren Ausgang gab. Wenn mein unsichtbarer Verfolger nicht Gefahr laufen wollte, mich entweder zu verlieren oder so lange draußen zu stehen, bis er Wurzeln schlug, dann musste er wohl oder übel durch das Hauptportal hereinkommen.
Und ich wusste, dass ich ihn erkennen würde, im gleichen Moment, in dem er auch nur die Nase durch die Tür steckte.
Der Gedanke wirkte irgendwie ernüchternd auf mich, denn er führte einen zweiten, alles andere als angenehmen mit sich: die Frage nämlich, wer es war, der mir seit dem frühen Morgen an den Fersen klebte, und warum.
Prinzipiell gab es zwei Möglichkeiten. Die eine war, dass es sich schlichtweg
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