Hexer-Edition 17: Das Auge des Satans
ich meinen Atlas richtig im Kopf hatte, waren wir also nicht weit vom Indischen Ozean entfernt!
»Sie soll auch zum Teufel noch mal wieder unter junge Menschen kommen, habe ich mir gesagt. Außerdem ist es für sie an der Zeit, sich einen verdammten Ehemann zu suchen und ein Dutzend schreiender Bälger zu bekommen. Sind Sie eigentlich schon verheiratet?«
Wahrscheinlich war es eher der Umstand, dass der Colonel den letzten Satz weder mit einem »Verdammt« noch irgendeiner anderen Verwünschung verziert hatte, der mich aufhorchen ließ.
»Verheiratet?«, wiederholte ich gedehnt, um Zeit zu gewinnen. »Nun nicht direkt, aber -«
»Na, wenn das kein verdammter Zufall ist!«, sagte Trouwne.
»- aber verlobt«, fuhr ich fort. »Und mit sehr ernsten Absichten, Sir.«
Trouwnes Schnauzbart sank enttäuscht herab.
Hastig wandte ich mich an Letitia. »Ich bedauere Ihren Verlust außerordentlich«, sagte ich und das war nicht einmal gelogen. Ich kannte Ebenezer Flawsthorn nicht, aber die Aussicht, die Gesellschaft dieser heiratswütigen Dame und ihres Vaters länger ertragen zu müssen, als unbedingt notwendig, trieb mir den Schweiß auf die Stirn.
Dabei war Letitia Trouwne nicht gerade unansehnlich. Ihre Figur war für meinen Geschmack etwas zu üppig, aber durchaus noch mehr als akzeptabel. Sie besaß den typisch hellen Teint, den die im Orient lebenden europäischen Frauen mit riesigen Hüten und Sonnenschirmen so tapfer verteidigten. Ihr Gesicht war etwas rundlich und die Nase zu kurz, um nicht darin unterzugehen. Am interessantesten fand ich noch ihre großen, intensiv blau strahlenden Augen und ihr langes, goldblondes Haar.
Mit einem Wort, sie sah stinklangweilig und fad aus. Doch die jungen Offiziere an der Front hatten wahrscheinlich aus Ermangelung an Besserem (und nicht zuletzt aus Furcht vor ihrem Vater) eine schwärmerische Bewunderung für sie an den Tag gelegt. Es war nicht sehr schwer, sich vorzustellen, wie sie auf den kleinsten Wink ihres Fingers hin gesprungen waren. Und nun hielt sie sich wohl für unwiderstehlich und hatte sich eben ein neues Opfer erkoren.
Mich.
Nur verspürte ich keine besondere Lust, mich erlegen zu lassen.
Letitia schien den langen Blick, mit dem ich sie musterte, gründlich misszuverstehen, denn sie setzte sich in Positur, nippte geziert an ihrem Glas und wandte sich endlich an mich.
»Ich freue mich, dass Sie uns bis Aden begleiten werden, Mister Craven. Mein Vater stellt das Militär zwar über alles, doch ich sage immer, dass man einen Gentleman nicht allein durch eine Uniform erkennen kann.«
Selbst wenn sie so schön gewesen wäre wie Aphrodite selbst und wenn es Priscylla nicht gegeben hätte, die daheim in London auf mich wartete, hätten diese wenigen Worte Letitias letzte Chance, Mrs. Letitia Craven zu werden, zunichte gemacht. Ich habe etwas gegen vorschnelle Urteile, aber in diesem Fall wusste ich einfach, dass sie dumm wie Bohnenstroh war.
Und wenn ich etwas hasse, so sind es Frauen, die mangelnden Verstand durch Schönheit ausgleichen zu können glauben. Vor allem, wenn sie nichts haben, was als Ausgleich herhalten könnte.
Ich bemühte mich, während des Gespräches nicht zu unhöflich zu wirken. Gottlob übernahm Mandon Trouwne den größten Teil der Unterhaltung, indem er seine sämtlichen Feldzüge aufzählte und diese Berichte mit jeder Menge von »Goddams« würzte. Seine Tochter versuchte mich über meine Vermögensverhältnisse auszuhorchen, doch ich entging der Falle, indem ich den Colonel zu einem weiteren Feldzug animierte und mich betont auffällig den Speisen widmete.
Mandon Trouwne gehörte zu jener Art Menschen, die schon in Uniform auf die Welt gekommen sein musste. Das ganze Dinner wurde nämlich aus den Beständen der britischen Armee bestritten. Es gab marinierte Rinderzunge – in Büchsen –, gekochtes Hammelfleisch aus Wales – in Büchsen – und Bohnen aus Herefordshire – in Büchsen. Als Nachtisch tischte uns der Colonel natürlich nicht so etwas Ordinäres wie Datteln auf, die draußen zuhauf an den Bäumen hingen, sondern eingelegte Apfelscheiben aus Sussex – in Büchsen – und Trockenpflaumen, auf deren natürliche Wirkung ein Europäer in diesen Breiten normalerweise verzichten kann.
Ich tröstete mich damit, dass die Speisen zumindest genießbar aussahen und ich halbwegs satt wurde. Schließlich räumte der Diener Teller und Besteck ab und brachte dafür die Portweinkaraffe und zu meiner Erleichterung zwei Gläser.
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