Hexer-Edition 17: Das Auge des Satans
deutlich hören. Und irgendwie war er froh, mit seiner Furcht nicht allein zu sein.
Sie ritten weiter. Ihre Tiere begannen zu scheuen, als sie sich den Ruinen näherten, aber diesmal waren es nicht Hitze und Durst, die sie gegen die Befehle ihrer Reiter aufbegehren ließen. Die Tiere spürten das Fremde, Böse, das von der Schwarzen Stadt ausging, so deutlich wie ihre Herren. Vielleicht deutlicher.
Und wie die beiden ersten Male, als sie hier gewesen waren, weigerten sie sich, der Stadt näher als dreißig Schritte zu kommen.
Es war ein Jahr her, dass Guillaume de Saint Denis, Gouvin du Tourville und Renard de Banrieux die Ruinen der Schwarzen Stadt hier im Wüstensand entdeckt hatten, durch einen jener unglaublichen Zufälle, die sich bei genauerer Betrachtung meist als alles andere denn als Zufall entpuppten.
Es war während eines Sandsturmes gewesen, der sie jäh überrascht hatte. Sie hatten Deckung zwischen den Dünen gesucht, um nicht von den entfesselten Naturgewalten umgebracht zu werden, und statt eines Versteckes hatten sie diese bizarren schwarzen Ruinen gefunden: nur ein paar Brocken zuerst, die der Sturm freigelegt hatte. Aber schon eine erste, flüchtige Untersuchung hatte ihnen gezeigt, dass die schwarzen Klippen nur die obersten Türme und Mauerspitzen einer ganzen Stadt waren, die die Wüste vor Urzeiten verschlungen hatte.
Und dass es eine Stadt des Teufels war.
Zumindest war dies Guillaumes feste Überzeugung. Er konnte den Atem des Satans fühlen, der jedem einzelnen dieser Licht schluckenden schwarzen Brocken innewohnte. Und er war keineswegs so erloschen wie die, die diese Stadt erbaut hatten.
Für einen Moment überkamen Guillaume de Saint Denis noch einmal Zweifel, während sie absaßen und durch den lockeren Sand auf das würfelförmige Gebäude zugingen, in dem er den Eingang zu der unterirdischen Stadt wusste. Sicher – er selbst war es gewesen, der die beiden anderen überredet hatte, hierher zu kommen und sich der Hilfe zu versichern, die sie brauchten, um in den Besitz des Auges des Satans zu gelangen.
Aber war es wirklich richtig?
Möglicherweise, dachte er bedrückt, tauschten sie ein Übel gegen ein anderes und größeres ein. Möglicherweise entfesselten sie einen Waldbrand, um einen brennenden Busch zu löschen.
Gouvin du Tourville blieb plötzlich stehen. Seine Hand fiel klatschend auf das Schwert an seiner Seite, während sein Kopf hochruckte und sein Blick misstrauisch die umliegenden Dünenkämme absuchte.
»Was ist?«, fragte Renard de Banrieux besorgt. Auch er griff zum Schwert, zog die Waffe aber noch nicht.
Gouvin du Tourville antwortete nicht sofort, sondern drehte sich einmal um seine Achse, während sein Blick weiterhin misstrauisch die gewellte Horizontlinie absuchte. Dann nahm er mit sichtlicher Überwindung die Hand von der Waffe und zuckte mit den Achseln. »Ich … weiß nicht«, gestand er zögernd. »Irgendetwas ist …« Er brach ab, suchte einen Moment nach Worten und hob schließlich abermals die Schultern. »Vielleicht habe ich mich getäuscht«, murmelte er. »Ich hatte das Gefühl, jemand beobachtet uns.«
Guillaume de Saint Denis sah den Templer verwirrt an. Gouvin war mit seinen Gefühlen ganz und gar nicht allein. Auch er hatte schon seit geraumer Zeit das Empfinden gehabt, von unsichtbaren Augen angestarrt zu werden, es aber auf seine eigene Nervosität und Furcht geschoben. Andererseits …
»Nizar?«, fragte Renard de Banrieux.
»Du meinst, er hat uns verfolgen lassen?«
Renard nickte. »Zuzutrauen wäre es ihm. Er hat uns ein wenig zu rasch wegreiten lassen für meinen Geschmack. Vielleicht hat er einige seiner Kreaturen auf unsere Spur gesetzt.«
»Kaum«, antwortete Guillaume. »Sie hätten hundert gute Gelegenheiten gehabt, uns zu töten, unterwegs.« Aber seinen Worten fehlte die rechte Überzeugung. Möglicherweise hatten sie Nizar unterschätzt. Dass der Magier wie eine Witzfigur aussah, mochte durchaus Berechnung sein – wer fürchtet schon einen Mann, dessen bloßes Aussehen zum Lachen reizt? Und möglicherweise war es ganz genau das gewesen, was Nizar damit bezweckt hatte, sie so ohne weiteres laufen zu lassen, nachdem Gouvin du Tourville ihn beleidigt und er, Guillaume, ihm gar den Tod prophezeit hatte. Vielleicht wusste er um die Existenz der Schwarzen Stadt und hatte nur darauf gewartet, dass sie ihm den Weg hierher zeigten.
»Wir sollten trotzdem vorsichtig sein«, sagte Gouvin du Tourville. »Vielleicht wäre es
Weitere Kostenlose Bücher