Hexer-Edition 20: Hochzeit mit dem Tod
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Jemand trat von hinten zu mir und legte mir seine Hand auf die Schulter. Es war Howard.
»Sinnlos«, sagte er. »Das Schott ist von außen blockiert.«
»Was? Aber wie …« Benommen schüttelte ich den Kopf.
»Die Beeinflussten. Sie müssen die Oberhand gewonnen haben. Es geschah, während ich geschlafen habe.« Er reichte mir den Stockdegen. »Hier, das nutzt jetzt auch nichts mehr.«
Ich starrte ihn an, blinzelte, blickte auf den Stockdegen herab und versuchte aufzuwachen. Ich war mir nicht ganz sicher, dass ich seine Worte verstanden hatte.
»Du … du willst sagen …«
»Dass wir Gefangene sind, ja«, bestätigte Howard.
Ich keuchte. Eine eisige Hand schien meinen Rücken entlang zu fahren. »Du willst mir erzählen, dass wir in diesem schwimmenden Sarg eingesperrt und auf Gnade und Ungnade einer Bande von Bekloppten ausgeliefert sind?«
Howard lächelte, eine Reaktion, für die ich ihm in diesem Moment glatt die Zähne hätte einschlagen können. »Ich hätte es etwas anders ausgedrückt«, sagte er, »aber … ja.« Und damit zündete er sich eine Zigarre an und blies mir eine Rauchwolke ins Gesicht. Ich war selbst zum Husten zu erschrocken.
»Wir müssen das Schott aufbrechen«, stieß ich hervor. »Sobald wir hier heraus sind -«
»Es würde auch nichts ändern«, unterbrach mich Howard. »Im Grunde macht es keinen Unterschied, ob van der Croft das Schiff mit freiem oder beeinflusstem Willen steuert. Sein Ziel bleibt das gleiche.«
»Aber die Männer sind nicht zurechnungsfähig«, keuchte ich. »Wie sollen sie da die NAUTILUS lenken können? Sie werden das Schiff in einen schwimmenden Sarg verwandeln.«
»Das werden sie nicht«, widersprach Howard. »Ich habe die letzten Stunden fast ununterbrochen am Bullauge in meiner Kabine verbracht und mich auf die Bewegungen des Schiffes konzentriert. Van der Croft mag seinen freien Willen verloren haben, aber diesmal äußert die Beeinflussung sich anders als zuvor. Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir ihrem Ursprung näher gekommen sind. Jedenfalls hat van der Croft nicht den Verstand verloren. Das zeigt schon das überlegte Vorgehen, uns hier einzusperren, anstatt alles zu Klumpen zu schlagen.« Er schnippte seine Zigarrenasche auf meine Schuhspitze. »Die NAUTILUS wird genauso souverän wie zuvor gesteuert. Wahrscheinlich ist in den Männern nun auch die Sucht ausgebrochen, so schnell wie möglich das Tor zu erreichen, und das ist schließlich auch unser Ziel. Also warten wir ab, statt unsere Kraft schon jetzt in sinnlosen Kämpfen zu verschwenden. Wir haben genügend Lebensmittel hier, um nicht zu verhungern.«
Ich überlegte eine Weile und sah schließlich ein, dass Howard wie immer – oder zumindest meistens – Recht hatte. Die Übelkeit, die sich plötzlich wieder mit aller Kraft bemerkbar machte, verhinderte für eine Weile ohnehin jeden Gedanken an einen gewaltsamen Ausbruch. Wenn ich auch nicht mehr ganz sicher war, dass sie ihre Ursache allein im Seegang hatte.
Drei weitere Tage darauf erreichten wir unser Ziel, ohne dass es zu einem weiteren Zwischenfall gekommen war.
Um ihn herum war Dunkelheit, eine tiefe, lastende Schwärze, wie es sie nicht einmal in der finstersten Nacht gab. Der Karbidscheinwerfer brannte noch, doch sein Lichtschein vermochte die Dunkelheit nicht zu durchdringen.
Zögernd trat Nemo einige Schritte vor. Unter seinen Füßen befand sich harter, völlig ebener Boden, der aus einem Material bestand, das das Licht zur Gänze in sich aufsog und es verschluckte, sodass es nicht einmal den leichtesten Spiegelreflex gab.
Probeweise streckte er die Arme aus. Auf der rechten Seite traf seine Hand auf eine Wand, die Linke tastete ins Leere.
Etwas berührte ihn an der Schulter, ganz leicht und tastend, kaum wahrnehmbar.
Nemo fuhr herum. Er sah nichts. Auch jetzt erzeugte der Lichtschein der Laterne keinen Widerschein. Aber er spürte, dass irgendetwas da war. Er war nicht mehr allein. Die Dunkelheit war nicht leer. Sie war ein Versteck. Das Versteck für etwas Entsetzliches.
Blindlings schlug er um sich, ohne ein Hindernis zu treffen, taumelte einen Schritt zurück und zwang sich mit aller Gewalt zur Ruhe. Vielleicht hatten seine überreizten Nerven ihm nur einen Streich gespielt.
Einige Sekunden lang horchte er mit angehaltenem Atem in die Dunkelheit. Wenn er schon nichts sehen konnte, wollte er wenigstens versuchen, sich mittels seines Gehörs zu orientieren.
Doch er hörte nichts. Die Stille war
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