Hexer-Edition 21: Der Sohn des Hexers I
einen Hocker stellen, denn er war viel zu klein, um an den Hängeschrank über dem Ofen zu kommen, aber seine Bewegungen waren schnell und präzise; nach wenigen Augenblicken standen die Teller an ihrem Platz und Tom faltete endlich raschelnd seine Zeitung zusammen und griff wie immer als erster zu.
Früher hatte Barney das nie getan. Die Phase, in denen Fünfjährige ihren Müttern freiwillig bei der Hausarbeit halfen, ging meist ebenso schnell vorüber, wie sie aufkam, aber bei Barney nicht. Alyssa empfand wenig Dankbarkeit dafür. Ganz im Gegenteil machte ihr die Hilfsbereitschaft ihres einzigen Sohnes beinahe Angst. Barney ging ihr nicht mit der normalen Begeisterung eines Kindes zur Hand, das seine eigenen Fähigkeiten erforschte und dabei war, zu entdecken, dass etwas zu tun eine durchaus positive Erfahrung ist, die Last dieser Arbeit aber noch nicht empfindet, sondern tat es mit der beiläufigen Verbissenheit eines Erwachsenen, der Dinge eben tut, weil sie getan werden müssen, aus keinem anderen Grund.
Nachdem Tom sich seinen Anteil an dem Braten abgesäbelt und Kartoffeln, Gemüse und Bratensauce auf seinen Teller gehäuft hatte, sagte Barney plötzlich: »Sie sind zu McGillycaddy gegangen.«
Alyssa blickte scheinbar konzentriert auf ihren Teller, aber ihr Mann sah überrascht auf und ihr entging auch keineswegs der rasche, fast misstrauische Blick, den er in ihre Richtung warf, ehe er sich wieder an seinen Sohn wandte. »Bist du sicher?«
Barney nickte. »Stan hat es gesehen. Nick auch. Und Estelle ebenfalls.« Er begann mit bedächtigen und ganz und gar nicht kindlichen Bewegungen zu essen und er kaute penibel den Mund leer, ehe er fortfuhr. Alyssa hätte viel darum gegeben, hätte er einmal mit vollem Mund geredet oder sich bekleckert oder auch einfach lustlos in seinem Essen herumgestochert, wie Kinder seines Alters es oft tun. »Sie haben in Cordwailers Laden nach dem Weg gefragt. Er sagt, sie wären … seltsam.«
»Seltsam?« Tom war nicht ganz so gut erzogen wie sein Sohn. Er sprach mit vollem Mund. »Hmwiemeinschudasch?«
»Seltsam eben«, erwiderte Barney mit einem Achselzucken und einem missbilligenden Blick auf den Streifen dunkler Bratensauce, der am Kinn seines Vaters herunterlief und sich anschickte, auf sein Hemd herunterzutropfen, auf dem sich schon eine ganze Anzahl Flecken der verschiedensten Herkunft befanden. »Gut gekleidet. Städter. Cordwailer meint, sie kämen aus London. Jedenfalls sprachen sie wie Städter.«
Tom schluckte heftig, schaufelte sich eine neue Gabel in den Mund und sagte: »Daschischnigut. Wirschollten …« Er schluckte, hustete und fuhr mit etwas verständlicherer Stimme fort: »Wir sollten Pasons Bescheid sagen, damit er sich die beiden einmal anschaut. Ich werde gleich nach dem Essen –«
»Estelle ist schon auf dem Weg zu ihm«, unterbrach ihn sein Sohn. »Und Nick und ein paar von den anderen behalten sie im Auge.«
Der Rest der Mahlzeit verlief in völligem Schweigen. Als sie fertig gegessen hatten, half Barney seiner Mutter, das Geschirr in die Spüle zu tragen und holte auch noch einen Eimer Wasser von der Pumpe, die auf dem kleinen Hof hinter dem Haus stand. Dann verabschiedete er sich – es war bereits nach eins und in einer halben Stunde fingen die Exerzitien an; er musste sich sputen, um noch rechtzeitig am Turm zu sein.
Tom blickte seinem Sohn voller Stolz nach, als er das Haus verließ und mit schnellen Schritten – aber ohne zu rennen – in südlicher Richtung davonging. »Er ist ein richtiger Prachtkerl«, sagte er. Er schüttelte den Kopf. »Fünf Jahre! Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich es einfach nicht glauben. Wir haben wirklich Glück, einen solchen Sohn zu haben, nicht wahr?«
Alyssa nickte. Aber sie sah ihren Mann dabei nicht an, sondern konzentrierte sie ganz auf das schmutzige Geschirr, das Barney ihr in die Spüle gestapelt hatte.
Sie wollte nicht, dass Tom ihre Tränen sah.
Constabler McGillycaddy sah nicht aus, wie man es von einem Constabler der königlich-britischen Polizei erwartete. Er sah überhaupt nicht aus wie ein Polizist, sondern eher wie ein leicht verwirrter Weihnachtsmann, der sich sowohl in der Jahreszeit als auch in der Gegend vertan hatte: Er war so klein, dass er sich auf die Zehenspitzen hätte stellen müssen, um Cohen oder gar mir auch nur bis ans Kinn zu reichen, hatte schütteres weißes Haar, das eine Spur zu lang war, um noch gepflegt zu wirken, und rote Pausbäckchen, die von großer
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