Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II
starrte ihn an. Für eine Sekunde wich alle Farbe aus seinem Gesicht und seine Hände begannen zu zittern. Dann konnte Howard regelrecht sehen, wie er den Gedanken von sich schob; und sei es nur, weil er einfach zu entsetzlich war, um ihn zu ertragen.
»Unsinn«, sagte er. »Das ist -«
»Sie brechen durch!«
Howard, George und Rowlf fuhren in der gleichen Sekunde herum, in der der Schrei erklang. Für einen Moment brach in dem riesigen Raum Tumult los. Die Generalstabskarte auf dem großen Wandschirm hatte einem Bild des Flussufers Platz gemacht. Die Verteidigungslinie war durchbrochen worden. Noch war die Lücke schmal, aber sie verbreiterte sich rasend schnell, als mehr und mehr und immer mehr Ungeheuer hindurchströmten und sich den Verteidigern entgegenwarfen, ungeachtet des mörderischen Feuers, das ihnen entgegenschlug. Und als wäre dies ein Signal gewesen, wankte die Front der Menschen plötzlich auch an zwei, drei anderen Stellen, und dann brach der gesamte Widerstand zusammen. Tanks, Geschütze und Männer wurden von der schwarzen Flut, die aus dem Fluss heraufquoll, einfach überrannt. Nur wenigen gelang es zu fliehen.
»Das ist das Ende«, sagte George. »Jetzt gibt es nichts mehr, was sie noch aufhalten kann.«
Niemand antwortete darauf. In der Kommandozentrale hatte sich ein unheimliches Schweigen ausgebreitet. Alle Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf den großen Schirm, auf dem der letzte Akt des Dramas in gnadenloser Klarheit zu sehen war. Die Ungeheuer stießen jetzt nur noch auf wenigen Widerstand, den sie brutal und ohne Rücksicht auf das eigene Leben brachen. Hier und da hatte sich eine kleine Gruppe Soldaten verschanzt, blockierte ein quer gestellter Tank oder ein Geschütz eine Straße und forderten die Waffen der Menschen noch einmal einen Wegzoll in Form Hunderter regloser schwarzer Körper, die auf dem Schlachtfeld zurückblieben, doch der Ausgang dieser Kämpfe war immer gleich.
Ein dumpfes Grollen drang durch die dicken Wände zu ihnen herein. Howard spürte, wie der Boden sacht unter ihnen erzitterte. Plötzlich öffneten sich die Türen des Aufzuges wieder und ein blutüberströmter Soldat in einer halb verkohlten Uniform taumelte herein. »Sie kommen«, stieß er atemlos hervor. Er machte einen letzten Schritt, fiel auf die Knie, krümmte sich und sagte noch einmal: »Sie kommen. Der Vernichter führt sie an.«
Howard sah aus den Augenwinkeln, wie George entsetzt zusammenfuhr und sich eine erschrockene Bewegung im Raum breit machte.
»Der Vernichter?«, fragte er.
»Ihr Anführer«, sagte George. »So etwas wie ihr Heerführer, wenn Ihnen das Wort lieber ist. Er ist ein Mensch, keines von diesen Ungeheuern. Aber er ist fast schlimmer als sie.«
»Wer ist er?«, fragte Howard alarmiert.
George zuckte mit den Achseln. »Das weiß niemand«, antwortete er. »Er erschien erst mehrere Jahre, nachdem die Stadt aus dem Meer aufgetaucht war, doch erst, nachdem er begonnen hatte in die Kämpfe einzugreifen, wurde unsere Lage wirklich verzweifelt. Wenn die Zahlen stimmen, die man mir genannt hat, dann tauchte R’lyeh im Herbst des Jahres achtzehnhundertzweiundneunzig aus dem Meer auf. In den ersten sieben Jahren schien sie vollkommen leblos und verlassen. Es war unmöglich, sie zu betreten. Wer es versuchte, kam nicht zurück. Doch erst Jahre danach zeigten sich die ersten Ungeheuer. Es war nicht einmal schwer sie zu besiegen. Sie waren stark, aber dumm. Doch dann kam der Vernichter. Am Neujahrstag des Jahres neunzehnhundert führte er die erste Armee von Monstern an die englische Küste und der Krieg begann.« Er schloss die Augen, seufzte tief und schüttelte den Kopf. »Und heute endet er.«
Wieder erscholl hoch über ihren Köpfen eine Explosion und diesmal war das Zittern des Bodens viel stärker. George drehte sich wieder herum, berührte einen Schalter auf dem Pult vor sich, und das Bild auf dem großen Schirm wechselte und zeigte nun die Straße unmittelbar vor dem Hotel, in dessen Keller sie sich befanden.
Howard sog erschrocken die Luft ein, als er sah, wie sehr sich die Szene verändert hatte.
Die Front der Angreifer hatte bereits die Straße erreicht und ihr Vormarsch hatte keinen Deut von seinem Schwung verloren. Die ersten Ungeheuer blieben hilflos in den Stacheldrahtverhauen und Barrikaden hängen oder starben unter den Schüssen der Verteidiger, doch wie am Fluss wurden ihre Verluste fast schneller ausgeglichen, als sie entstehen konnten. Immer mehr und mehr und
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