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Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II

Titel: Hexer-Edition 22: Der Sohn des Hexers II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Haus verschwunden war, erst dann antwortete ich. »Das ist Hennessey, Tom.«
    Er starrte mich nur an. Für einen kurzen Moment erlosch der Wahnsinn in seinen Augen, und sein Blick war wieder ganz klar. Ich sah Schrecken darin, aber auch Verwunderung und ein allmählich aufkeimendes Misstrauen, das diesmal nicht mir galt. Er schwieg.
    »Das ist eines der Wesen, die Ihnen Ihre Kinder stehlen, Tom«, sagte ich. »Alyssa hat mir davon erzählt.«
    »Unsere Kinder?« Tom machte eine verwirrte Handbewegung. »Ich verstehe nicht …«
    »Das müssen Sie auch nicht«, sagte ich, »jedenfalls nicht jetzt. Aber das dort drüben ist unser wahrer Feind, Tom. Dieses Geschöpf und seine Brüder sind schuld an dem, was hier geschehen ist.«
    »Sie meinen, Hennessey hat den Wagen gestohlen?«, fragte Tom.
    Ich hätte beinahe aufgestöhnt. Was ich für ein Aufflackern seiner Vernunft gehalten hatte, war das Gegenteil. »Vielleicht«, sagte ich. »Auf jeden Fall wird er ihn uns nicht geben, wenn er uns sieht.« Ich deutete auf das Hauptgebäude. »Wie kommen wir dort hinein, ohne gesehen zu werden?«
    »Das ist kein Problem«, sagte Tom. »Folgen Sie mir.«
    Wir umgingen die Lichtung im Schutze des Waldrandes, bis wir nahezu wieder an der Küste waren. Aus einem Grund, den ich wahrscheinlich nie begreifen würde, war das Sägewerk direkt auf der Klippe errichtet worden, sodass sich die letzten Gebäude wie die Wehrmauern einer bizarren Trutzburg über den Kreidefelsen erhoben. Tom winkte mir mit der Hand neben ihn zu treten, dann deutete er mit der anderen nach unten und ich sah einen schmalen, von einem rostigen eisernen Geländer flankierten Weg, der offensichtlich direkt in den Felsen hineingeschlagen worden war. Tom sagte kein Wort, ließ sich aber plötzlich auf Hände und Knie herabsinken, drehte sich herum – und begann geschickt an der Steilwand hinabzuklettern, um den fünf oder sechs Meter tiefer liegenden Saumpfad zu erreichen. Widerwillig folgte ich ihm.
    Die Wand fiel zwar lotrecht in die Tiefe ab, war aber von Wind und Erosion so zerfressen, dass es nicht sehr schwierig war, an ihr hinunterzuklettern. Trotzdem zitterten meine Hände und Knie vor Anstrengung, als ich endlich auf dem kaum handtuchbreiten Felsband angelangt war. Tom ließ mir jedoch keine Atempause, sondern wandte sich nach rechts und ich sah erst jetzt, dass in einer Entfernung von vielleicht vierzig oder fünfzig Yards eine aus dem Fels gehauene Treppe nach oben und zu einer schmalen hölzernen Tür in einem der Gebäude führte. Auf der anderen Seite setzte sich der Pfad fort, so weit man sehen konnte. Ich verschwendete keine Sekunde damit, mir den Kopf über seinen ursprünglichen Zweck zu zerbrechen, sondern beeilte mich Tom zu folgen, der bereits einen gehörigen Vorsprung hatte und ihn auch weiter ausbaute, denn er bewegte sich auf dem schmalen Felsband so sicher wie auf einer breiten asphaltierten Straße, während ich mich, den Rücken eng gegen den feuchten Stein gepresst, mühsam Schritt für Schritt vorantasten musste. Der Wind war hier wieder heftiger zu spüren und schien wie mit unsichtbaren Fäusten an meinen Kleidern und meinen Haaren zu zerren, um mich in die Tiefe zu reißen, und obwohl ich es fast angstvoll vermied, nach unten zu sehen, war mir doch jede Sekunde bewusst, dass unter mir nichts als ein zwanzig Meter tiefer Abgrund und ein ganzer Wald von steinernen Speerspitzen nur darauf warteten, dass ich einen Fehltritt tat. Trotz der Kälte war ich in Schweiß gebadet, als wir endlich die Tür am oberen Ende der Treppe erreichten. Sie war verschlossen, aber nun kam uns der marode Zustand des Bauwerks zugute: Tom musste nur einmal – und nicht einmal besonders kräftig – mit der Hand gegen die Tür drücken, und der Riegel, der vermutlich nur noch aus Rost bestanden hatte, zerbrach und fiel drinnen klappernd zu Boden. Hintereinander traten wir durch die Tür. Tom schloss sie sorgfältig wieder hinter sich. Er gebot mir mit einer Geste, still und in seiner Nähe zu bleiben und schlich geduckt vor mir entlang.
    Ich begann schon bald zu bedauern, dass wir keine Lampe oder wenigstens eine Fackel besaßen, während ich Tom durch die mit Schutt und Trümmern übersäten Gänge folgte. Ich war so gut wie blind. Irgendwie drang immer ein bisschen Licht herein, sodass wir uns nie vollständig durchs Dunkel bewegen mussten, aber mein Führer war zumeist nur eine schemenhafte Gestalt vor mir, obwohl ich mich niemals mehr als zwei Schritte

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